Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 318

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3. die Warenwirtschaft einzuführen;

4. Landwirtschaft von Gewerbe zu trennen.

Bei der primitiven Akkumulation, d. h. in den ersten geschichtlichen Anfängen des Kapitalismus in Europa am Ausgang des Mittelalters und bis ins 19. Jahrhundert hinein, bildete das Bauernlegen in England und auf dem Kontinent das großartigste Mittel zur massenhaften Verwandlung der Produktionsmittel und Arbeitskräfte in Kapital.[1] Indes dieselbe Aufgabe wird bis auf den heutigen Tag durch das herrschende Kapital in ganz anders großartigem Maßstab ausgeführt – in der modernen Kolonialpolitik. Es ist eine Illusion, zu hoffen, der Kapitalismus würde sich je nur mit Produktionsmitteln begnügen, die er auf dem Wege des Warenhandels erstehen kann. Die Schwierigkeit für das Kapital besteht in dieser Hinsicht schon darin, daß auf gewaltigen Strecken der exploitierbaren Erdoberfläche die Produktivkräfte sich im Besitz von gesellschaftlichen Formationen befinden, die entweder zum Warenhandel nicht neigen oder aber gerade die wichtigsten Produktionsmittel, auf die es dem Kapital ankommt, überhaupt nicht feilbieten, weil die Eigentumsformen wie die ganze soziale Struktur dies von vornherein ausschließen. Dahin gehören vor allem Grund und Boden mit dem ganzen Reichtum an mineralischem Gehalt im Innern sowie mit dem Wiesen-, Wälder- und Wasserbestand an der Oberfläche, ferner Viehherden bei viehzüchtenden primitiven Völkern. Sich hier auf den Prozeß der langsamen auf Jahrhunderte berechneten inneren Zersetzung dieser naturalwirtschaftlichen Gebilde verlassen und ihre Resultate erst abwarten, bis sie zur Entäußerung der wichtigsten Produktionsmittel auf dem Wege des Warenhandels führen, würde für das Kapital soviel bedeuten, wie überhaupt auf die Produktivkräfte jener Gebiete verzichten. Daraus folgert der Kapitalismus gegenüber den Kolonialländern die gewaltsame Aneignung der wichtigsten Produktionsmittel als eine Lebensfrage für sich. Da aber gerade die primitiven sozialen Verbände der Eingeborenen der stärkste Schutzwall der Gesellschaft wie ihrer materiellen Existenzbasis sind, so erfolgt als einleitende Methode des Kapitals die systematische, planmäßige Zerstörung und Vernichtung der nichtkapitalistischen sozialen Verbände, auf die es in seiner Ausbreitung stößt. Hier haben wir es nicht mehr mit der primitiven Akkumulation zu tun, der Prozeß dauert fort bis auf den heutigen Tag. Jede neue Kolonialerweiterung wird naturgemäß von diesem hartnäckigen Krieg des Kapitals

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[1] Durch Auskauf, meist aber brutale Vertreibung der Bauern durch den Grundherrn wurde das Bauernland zum Herrenland geschlagen. Höhepunkt des Bauernlegens war in England das 15. und 16. Jahrhundert, auf dem Kontinent das 17. und 18. Jahrhundert, wobei die ostelbischen Gebiete Preußens und Mecklenburg besonders betroffen waren.