Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 317

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Produktionsmittel und als Reservoirs der Arbeitskräfte für sein Lohnsystem. Zu allen diesen Zwecken kann das Kapital mit naturalwirtschaftlichen Produktionsformen nichts anfangen. In allen naturalwirtschaftlichen Formationen – ob es sich um primitive Bauerngemeinden mit Gemeineigentum an Grund und Boden, feudale Fronverhältnisse oder dergleichen handelt – ist die Produktion für den Selbstbedarf das Ausschlaggebende der Wirtschaft, daher kein oder geringer Bedarf nach fremden Waren und in der Regel auch kein Überfluß an eigenen Produkten oder zum mindesten kein dringendes Bedürfnis, überschüssige Produkte loszuwerden. Was das wichtigste jedoch: Alle naturalwirtschaftlichen Produktionsformen beruhen auf dieser oder jener Art Gebundenheit sowohl der Produktionsmittel wie der Arbeitskräfte. Die kommunistische Bauerngemeinde so gut wie der feudale Fronhof und dergleichen stützen sich in ihrer wirtschaftlichen Organisation auf die Fesselung des wichtigsten Produktionsmittels – des Grund und Bodens – sowie der Arbeitskräfte durch Recht und Herkommen. Die Naturalwirtschaft setzt somit den Bedürfnissen des Kapitals in jeder Hinsicht starre Schranken entgegen. Der Kapitalismus führt deshalb vor allem stets und überall einen Vernichtungskampf gegen die Naturalwirtschaft in jeglicher historischer Form, auf die er stößt, gegen die Sklavenwirtschaft, gegen den Feudalismus, gegen den primitiven Kommunismus, gegen die patriarchalische Bauernwirtschaft. In diesem Kampfe bilden politische Gewalt (Revolution, Krieg), staatlicher Steuerdruck und Billigkeit der Waren die Hauptmethoden, die teils nebeneinander laufen, teils einander folgen und sich gegenseitig unterstützen. Äußerte sich die Gewalt im Kampfe gegen den Feudalismus in Europa in revolutionärer Gestalt (die bürgerlichen Revolutionen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts gehören in letzter Linie hierher), so in außereuropäischen Ländern – im Kampfe gegen primitivere soziale Formen – in der Gestalt der Kolonialpolitik. Das hier praktizierte Steuersystem wie der Handel, namentlich mit primitiven Gemeinwesen, stellen ein Gemisch dar, in dem politische Gewalt und ökonomische Faktoren eng ineinandergreifen.

Die ökonomischen Zwecke des Kapitalismus im Kampfe mit naturalwirtschaftlichen Gesellschaften sind im einzelnen:

1. sich wichtiger Quellen von Produktivkräf ten direkt zu bemächtigen, wie Grund und Boden, Wild der Urwälder, Mineralien, Edelsteine und Erze, Erzeugnisse exotischer Pflanzenwelt, wie Kautschuk usw.;

2. Arbeitskräfte „frei“ zu machen und zur Arbeit für das Kapital zu zwingen;

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