Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 300

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wie bei v. Kirchmann und Rodbertus, oder wenigstens zur angeblichen Notwendigkeit, die Akkumulation möglichst zu dämpfen, wie bei Sismondi und dessen russischen Epigonen, den „Volkstümlern“.

Doch erst die tiefere Analyse und die exakte schematische Darstellung des Prozesses der Gesamtproduktion durch Marx, namentlich seine geniale Darstellung des Problems der einfachen Reproduktion, konnte den springenden Punkt des Akkumulationsproblems und die wunde Stelle der früheren Versuche seiner Lösung bloßlegen. Die Analyse der Akkumulation des Gesamtkapitals, die bei Marx abbricht, kaum daß sie begonnen hat, und die obendrein, wie erwähnt, durch die dem Problem ungünstige Polemik gegen die Smithsche Analyse beherrscht ist, hat direkt keine fertige Lösung gegeben, sie vielmehr gleichfalls durch die Voraussetzung von der Alleinherrschaft der kapitalistischen Produktionsweise erschwert. Aber gerade die ganze Analyse der einfachen Reproduktion bei Marx sowie die Charakteristik des kapitalistischen Gesamtprozesses mit dessen inneren Widersprüchen und ihrer Entfaltung (im dritten Bande des „Kapitals“) enthalten implicite eine Auflösung des Akkumulationsproblems, die sich mit den übrigen Teilen der Marxschen Lehre wie mit der historischen Erfahrung und der täglichen Praxis des Kapitalismus in Einklang befindet, und geben somit die Möglichkeit, das Unzureichende des Schemas zu ergänzen. Das Schema der erweiterten Reproduktion weist bei näherem Zusehen selbst in allen seinen Beziehungen über sich hinaus auf Verhältnisse, die außerhalb der kapitalistischen Produktion und Akkumulation liegen.

Wir haben bis jetzt die erweiterte Reproduktion nur von einer Seite betrachtet, nämlich von der Frage aus: Wie wird der Mehrwert realisiert? Dies war die Schwierigkeit, mit der sich die Skeptiker bis jetzt ausschließlich beschäftigten. Die Realisierung des Mehrwerts ist in der Tat die Lebensfrage der kapitalistischen Akkumulation. Sehen wir der Einfachheit halber ganz von dem Konsumtionsfonds der Kapitalisten ab, so erfordert die Realisierung des Mehrwerts als erste Bedingung einen Kreis von Abnehmern außerhalb der kapitalistischen Gesellschaft. Wir sagen: von Abnehmern und nicht: von Konsumenten. Denn die Realisierung des Mehrwerts besagt van vornherein gar nichts über die Sachgestalt des Mehrwerts. Das Entscheidende ist, daß der Mehrwert weder durch Arbeiter noch durch Kapitalisten realisiert werden kann, sondern durch Gesellschaftsschichten oder Gesellschaften, die selbst nicht kapitalistisch produzieren. Es sind dabei zwei verschiedene Fälle denkbar. Die kapitalistische Produktion liefert Konsumtionsmittel über den eigenen (der Arbeiter und

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