Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 299

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gekauft wurde, mit dem andern Waren (Rohmaterial und Maschinerie etc.).“ „Die Akkumulation von neuem Kapital kann also nur unter denselben Bedingungen vor sich gehn wie die Reproduktion des schon vorhandnen Kapitals.“[1]

In Wirklichkeit sind die realen Bedingungen bei der Akkumulation des Gesamtkapitals ganz andere als bei dem Einzelkapital und als bei der einfachen Reproduktion. Das Problem beruht auf folgendem: Wie gestaltet sich die gesellschaftliche Reproduktion unter der Bedingung, daß ein wachsender Teil des Mehrwerts nicht von den Kapitalisten konsumiert, sondern zur Erweiterung der Produktion verwendet wird? Das Draufgehen des gesellschaftlichen Produkts, abgesehen von dem Ersatz des konstanten Kapitals, in der Konsumtion der Arbeiter und Kapitalisten ist hier von vornherein ausgeschlossen, und dieser Umstand ist das wesentlichste Moment des Problems. Damit ist aber auch ausgeschlossen, daß die Arbeiter und die Kapitalisten selbst das Gesamtprodukt realisieren können. Sie können stets nur das variable Kapital, den verbrauchten Teil des konstanten Kapitals und den konsumierten Teil des Mehrwerts selbst realisieren, auf diese Weise aber nur die Bedingungen für die Erneuerung der Produktion in früherem Umfang sichern. Der zu kapitalisierende Teil des Mehrwerts hingegen kann unmöglich von den Arbeitern und Kapitalisten selbst realisiert werden. Die Realisierung des Mehrwerts zu Zwecken der Akkumulation ist also in einer Gesellschaft, die nur aus Arbeitern und Kapitalisten besteht, eine unlösbare Aufgabe. Merkwürdigerweise gingen sämtliche Theoretiker, die das Problem der Akkumulation analysierten, von Ricardo und Sismondi bis Marx, gerade von dieser Voraussetzung aus, die die Lösung des Problems unmöglich machte. Das richtige Gefühl für die Notwendigkeit „dritter Personen“, d. h. Konsumenten außerhalb der unmittelbaren Agenten der kapitalistischen Produktion: der Arbeiter und Kapitalisten, zur Realisierung des Mehrwerts, führte zu allerlei Ausflüchten: zu der „unproduktiven Konsumtion“, die bei Malthus in der Person des feudalen Grundbesitzers, bei Woronzow in dem Militarismus, bei Struve in den „liberalen Berufen“ und sonstigem Anhang der Kapitalistenklasse verkörpert ist, ferner zur Heranziehung des auswärtigen Handels, der bei allen Skeptikern der Akkumulation von Sismondi bis Nikolai-on als Sicherheitsventil eine hervorragende Rolle spielte. Zum andern Teil führte die Unlösbarkeit der Aufgabe zum Verzicht auf die Akkumulation,

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[1] Theorien über den Mehrwert, Bd. II, Teil 2, S. 250, „Akkumulation von Kapital und Krisen“. Hervorgehoben bei Marx. [Karl Marx: Theorien über den Mehrwert, Zweiter Teil. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Bd. 26.2. S. 483. 484 u. 485.]. – [Fußnote im Original]