Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 301

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/301

Kapitalisten) Bedarf hinaus, deren Abnehmer nichtkapitalistische Schichten und Länder sind. Z. B. die englische Baumwollindustrie lieferte während der ersten zwei Drittel des 19. Jahrhunderts (und liefert zum Teil jetzt) Baumwollstoffe an das Bauerntum und städtische Kleinbürgertum auf dem europäischen Kontinent, ferner an das Bauerntum in Indien, Amerika, Afrika usw. Hier war es die Konsumtion nichtkapitalistischer Schichten und Länder, die für die enorme Erweiterung der Baumwollindustrie in England die Basis bildete.[1] Für diese Baumwollindustrie aber entwickelte sich in England selbst eine ausgedehnte Maschinenindustrie, die Spindeln und Webstühle lieferte, ferner im Anschluß daran die Metall- und Kohlenindustrie usw. In diesem Fall realisierte die Abteilung II (Konsumtionsmittel) in steigendem Maße ihre Produkte in außerkapitalistischen Gesellschaftsschichten, wobei sie ihrerseits durch die eigene Akkumulation eine steigende Nachfrage nach den einheimischen Produkten der Abteilung I (Produktionsmittel) schuf und dadurch dieser Abteilung zur Realisierung des Mehrwerts und zur steigenden Akkumulation verhalf.

Nehmen wir den umgekehrten Fall. Die kapitalistische Produktion liefert Produktionsmittel über den eigenen Bedarf hinaus und findet Abnehmer in nichtkapitalistischen Ländern. Z. B. die englische Industrie lieferte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Konstruktionsmaterial zum Eisenbahnbau in den amerikanischen und australischen Staaten. Der Eisenbahnbau bedeutet an sich noch lange nicht die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise in einem Lande. Tatsächlich waren die Eisenbahnen selbst in diesen Fällen nur eine der ersten Voraussetzungen für den Einzug der kapitalistischen Produktion. Oder die deutsche chemische Industrie liefert Produktionsmittel, wie Farbstoffe, die massenhaft Absatz finden in nicht kapitalistisch produzierenden Ländern in Asien,

Nächste Seite »



[1] Die Wichtigkeit der Baumwollindustrie für den englischen Export ist aus folgenden Zahlen ersichtlich:

1893: Gesamtexport von Fabrikaten 5540 Mill. Mark; davon Baumwollwaren 1280 Mill. Mark = 23 Prozent, Eisen und sonstige Metallwaren nicht ganz 17 Prozent.

1898: Gesamtexport von Fabrikaten 4668 Mill. Mark; davon Baumwollwaren 1300 Mill. Mark = 28 Prozent, Eisen und Metallwaren 22 Prozent.

Verglichen damit ergeben die Zahlen für das Deutsche Reich:

1898: Gesamtexport 4010 Mill. Mark; davon Baumwollwaren 231,9 Mill. Mark = 53/4 Prozent;

Die Länge der 1898 exportierten Baumwollstückware betrug 51/4 Milliarden Yards, von denen 21/4 Milliarden nach Vorderindien gingen. (E. Jaffé: Die englische Baumwollindustrie und die Organisation des Exporthandels. In: Schmollers Jahrbücher [Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft], XXIV. Jg., S. 1033.)

1908 betrug die britische Ausfuhr an Baumwollgarn allein 262 Mill. Mark. (Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 1910.) – [Fußnote im Original]