Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 266

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Welches ist nun die Beweisführung für die kühne Lösung des Akkumulationsproblems bei Tugan-Baranowski, von der aus er auch das Problem der Krisen und eine ganze Reihe anderer beleuchtet? Es ist kaum zu glauben, aber um so wichtiger festzustellen: Die Beweisführung Tugans besteht einzig und allein im Marxschen Schema der erweiterten Reproduktion. Ni plus ni moins. Tugan-Baranowski spricht zwar an mehreren Stellen etwas großspurig von seiner „abstrakten Analyse des Prozesses der Reproduktion des gesellschaftlichen Kapitals“, von „zwingender Logik“ seiner Analyse, die ganze „Analyse“ reduziert sich jedoch auf die Abschrift des Marxschen Schemas der erweiterten Reproduktion, nur mit anders gewählten Zahlen. In der ganzen Studie Tugans wird man keine Spur eines anderen Beweises finden. In dem Marxschen Schema verläuft nun tatsächlich die Akkumulation, die Produktion, die Realisierung, der Austausch, die Reproduktion glatt wie am Schnürchen. Und ferner kann man diese „Akkumulation“ auch tatsächlich „ad infinitum“ fortsetzen. Nämlich solange Papier und Tinte reichen. Und diese seine harmlose Übung mit arithmetischen Gleichungen auf dem Papier gibt Tugan-Baranowski in vollem Ernst für den Beweis aus, daß die Dinge sich ebenso in Wirklichkeit abspielen. „Die angeführten Schemata mußten zur Evidenz beweisen ...“ Und an einer anderen Stelle widerlegt er Hobson, der von der Unmöglichkeit der Akkumulation überzeugt ist, folgendermaßen: „Das ... Schema Nr. 2 der Reproduktion des gesellschaftlichen Kapitals auf erweiterter Stufenleiter entspricht dem von Hobson betrachteten Falle der Akkumulation des Kapitals. Sehen wir aber in diesem Schema ein überschüssiges Produkt entstehen? In keiner Weise!“[1] Also weil „im Schema“ kein überschüssiges Produkt entsteht, so ist Hobson auch schon widerlegt und die Sache erledigt.

Freilich, Tugan-Baranowski weiß sehr wohl, daß in der rauhen Wirklichkeit die Dinge nicht so glatt verlaufen. Es gibt beständige Schwankungen beim Austausch und periodische Krisen. Aber die Krisen treten eben nur deshalb ein, weil keine Proportionalität bei der Produktionserweiterung beobachtet wird, d. h. weil man sich im voraus nicht an die Proportionen des „Schemas Nr. 2“ hält. Wäre [man] nach dem verfahren, dann hätten wir keine Krisen, und alles ginge in der kapitalistischen Produktion so hübsch vonstatten wie auf dem Papier. Nun wird Tugan zugeben müssen, daß man – wo wir den Reproduktionsprozeß im ganzen als einen fortlaufenden Prozeß behandeln – von den Krisen füglich absehen darf. Die „Proportionalität“ mag alle Augenblicke aus den Fugen gehen, im Durch-

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[1] l. c., S. 191. – [Fußnote im Original]