Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 265

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der Waren die Nachfrage nicht überschreiten.“[1] Der einzige Umstand, der periodisch eine Marktüberfüllung erzeugt, sei der Mangel an Proportionalität bei der Produktionserweiterung. Den Gang der kapitalistischen Akkumulation unter dieser Voraussetzung schildert Tugan folgendermaßen: „Was würden ... die Arbeiter ... bei einer proportionellen Einteilung der Produktion produzieren? Offenbar ihre eigenen Lebensmittel und Produktionsmittel. Wozu werden aber solche dienen? Zur Erweiterung der Produktion im zweiten Jahre. Der Produktion welcher Produkte? Wieder der Produktionsmittel und Lebensmittel der Arbeiter – und so ad infinitum.“[2] Dieses Frage- und Antwortspiel ist wohlgemerkt nicht als Selbstpersiflage, sondern völlig ernst gemeint. Und so ergeben sich für die Kapitalakkumulation unendliche Perspektiven: „Ist... die Ausdehnung der Produktion praktisch grenzenlos, so müssen wir die Ausdehnung des Marktes als ebenso grenzenlos annehmen, denn es gibt bei der proportionellen Einteilung der gesellschaftlichen Produktion für die Ausdehnung des Marktes keine andere Schranke außer den Produktivkräften, über welche die Gesellschaft verfügt.“[3]

Da so die Produktion selbst ihren Absatz schafft, so bekommt auch der auswärtige Handel der kapitalistischen Staaten die eigentümliche mechanische Rolle zugewiesen, die wir schon bei Bulgakow kennengelernt haben. Der auswärtige Absatzmarkt ist z. B. für England unbedingt notwendig. „Beweist das nicht, daß die kapitalistische Produktion ein überschüssiges Produkt schafft, für welches auf dem inneren Markte kein Platz vorhanden ist? Warum bedarf England überhaupt eines auswärtigen Marktes? Die Antwort ist keine schwere. Darum, weil ein bedeutender Teil der Kaufkraft Englands für die Anschaffung ausländischer Waren verausgabt wird. Die Einfuhr ausländischer Waren für den inneren Markt Englands macht auch die Ausfuhr englischer Waren für den auswärtigen Markt absolut notwendig. Da England ohne einen ausländischen Import nicht auskommen kann, so ist auch ein Export für dieses Land eine Existenzbedingung, sonst hätte es nichts, womit es für seinen Import bezahlen könnte.“[4] Hier ist also wieder die landwirtschaftliche Einfuhr als der stimulierende, ausschlaggebende Faktor bezeichnet, und ebenso finden wir die zwei Kategorien Länder „eines landwirtschaftlichen und eines industriellen Typus“, die von Natur auf den Austausch untereinander angewiesen sind – ganz nach dem Schema deutscher Professoren.

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[1] I. c., S. 33. – [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 191. – [Fußnote im Original]

[3] I. c., S. 231. Hervorgehoben im Original. – [Fußnote im Original]

[4] l. c., S. 35. – [Fußnote im Original]