Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 256

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flüssig, hier zahlenmäßig nachzuweisen, wie gering jetzt die Rolle des Metallgeldes bei den Tauschgeschäften ist. Die aufgestellte Hypothese steht auf diese Weise in direktem und offenbarem Widerspruch mit den Tatsachen und muß abgelehnt werden.“[1]

Bravissimo! Sehr schön! Aber damit hat Bulgakow auch seine einzige bisherige Erklärung der Frage, wie und durch wen der kapitalisierte Mehrwert realisiert wird, selbst „abgelehnt“. Übrigens hat er auch in dieser Selbstwiderlegung nur etwas ausführlicher dargelegt, was Marx bereits mit einem Wort gesagt hat, indem er die Hypothese von dem Goldproduzenten, der den ganzen gesellschaftlichen Mehrwert schluckt, „abgeschmackt“ genannt hat.

Freilich liegt die eigentliche Lösung bei Bulgakow wie überhaupt bei den russischen Marxisten, die sich mit der Frage eingehend beschäftigt haben, ganz anderswo. Sowohl er wie Tugan-Baranowski wie Iljin legen das Hauptgewicht darauf, daß die Gegenseite – die Skeptiker – in bezug auf die Möglichkeit der Akkumulation einen kapitalen Fehler in der Wertanalyse des Gesamtprodukts machen. Diese – namentlich Woronzow – nahmen an, das gesamte gesellschaftliche Produkt bestehe in Konsummitteln, und gingen von der irrtümlichen Voraussetzung aus, Konsumtion sei überhaupt Zweck der kapitalistischen Produktion. Hier – erklärten nun die Marxisten – liege die Quelle des ganzen Mißverständnisses, und aus dieser Quelle flössen die imaginären Schwierigkeiten der Realisierung des Mehrwerts, über die sich die Skeptiker den Kopf zerbrachen. „Dank dieser irrigen Vorstellung schuf sich diese Schule selbst nichtexistierende Schwierigkeiten: Da die normalen Bedingungen der kapitalistischen Produktion voraussetzen, daß der Konsumtionsfonds der Kapitalisten bloß einen und dazu geringeren Teil des Mehrwerts ausmacht, während der größere für die Erweiterung der Produktion abgerechnet wird, so ist es augenscheinlich, daß die Schwierigkeiten, die sich jene Schule (die Volkstümler – R. L.) vorstellte, in Wirklichkeit gar nicht existieren.“[2] Es ist auffallend, mit welcher Selbstverständlichkeit Bulgakow hier das Problem übersieht und nicht einmal zu ahnen scheint, daß gerade erst bei der Annahme der erweiterten Reproduktion die Frage: für wen? unabweisbar wird, jene Frage, die unter der Voraussetzung der persönlichen Konsumtion des gesamten Mehrwerts sehr nebensächlich ist.

Alle diese „imaginären Schwierigkeiten“ lösen sich nun durch die zwei Entdeckungen Marxens in Dunst auf, die seine russischen Schüler nicht

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[1] I. c., S. 132 ff. – [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 20. – [Fußnote im Original]