Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 255

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Vom Goldproduzenten. Eine Erklärungsweise, die in ihrer außerordentlichen Einfachheit mehr verdächtig als bestrickend ist.

Doch es erübrigt sich, diese Theorie vom Goldproduzenten als Deus ex machina der kapitalistischen Akkumulation zu widerlegen. Bulgakow selbst hat sie sehr schön widerlegt. 80 Seiten weiter kommt er in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich von der Lohnfondstheorie aus, gegen die er sich ohne ersichtlichen Grund in eine breite Polemik verwickelt hat, wieder auf den Goldproduzenten. Und hier entwickelt er plötzlich die folgende scharfe Einsicht:

„Wir wissen schon, daß unter anderen Produzenten auch der Goldproduzent existiert, der einerseits selbst bei einfacher Reproduktion die absolute Menge des im Lande zirkulierenden Geldes vergrößert und andererseits Produktionsmittel und Konsummittel kauft, ohne seinerseits Waren zu verkaufen, wobei er für die gekauften Waren direkt mit dem allgemeinen Tauschäquivalent zahlt, das sein eigenes Produkt darstellt. Kann nun der Goldproduzent nicht vielleicht den Dienst erweisen, daß er bei II dessen ganzen akkumulierten Mehrwert abkauft und dafür mit Gold zahlt, das II alsdann zum Ankauf der Produktionsmittel bei I und zur Erweiterung des variablen Kapitals, d. h. zum Ankauf der zuschüssigen Arbeitskraft, gebrauchen wird? Als wirklicher auswärtiger Absatzmarkt erscheint somit der Goldproduzent.

Doch das ist eine vollkommen absurde Voraussetzung. Ihre Annahme bedeutet, daß man die Erweiterung der gesellschaftlichen Produktion von der Erweiterung der Goldproduktion abhängig macht. (Bravo!) Dies setzt seinerseits ein Wachstum der Goldproduktion voraus, das der Wirklichkeit gar nicht entspricht. Soll der Goldproduzent verpflichtet werden, durch seine Arbeiter bei II den ganzen akkumulierten Mehrwert abzukaufen, dann bedeutet dies, daß sein variables Kapital täglich und stündlich wachsen muß. Aber dementsprechend muß auch das konstante Kapital wachsen und auch der Mehrwert, folglich muß die ganze Goldproduktion direkt ungeheuerliche Dimensionen annehmen. (Bravo!) Anstatt diese läppische Voraussetzung statistisch nachzuprüfen (was übrigens kaum möglich wäre), genügt es, auf eine Tatsache hinzuweisen, die ganz allein diese Voraussetzung vernichtet. Diese Tatsache ist – die Entwicklung des Kredits, welche die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft begleitet. (Bravo!) Der Kredit hat die Tendenz, die Menge des umlaufenden Geldes (natürlich relativ, nicht absolut) zu verringern und erscheint als notwendige Ergänzung zur Entwicklung der Tauschwirtschaft, die sonst sehr bald am Mangel an Metallgeld ihre Schranken finden würde. Ich finde es über-

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