Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 253

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Und nun sind wir gespannt auf die Bulgakowsche Beweisführung für die angeführte These.

Sie fällt zunächst unerwartet einfach aus. Bulgakow gibt getreulich das uns bekannte Marxsche Schema der einfachen Reproduktion wieder, mit Kommentaren, die seinem Verständnis alle Ehre machen. Dann führt er das uns ebenso bekannte Marxsche Schema der erweiterten Reproduktion an – und damit ist der gesuchte Beweis auch schon erbracht. „Auf Grund des Gesagten bietet es keine Schwierigkeit zu bestimmen, worin die Akkumulation bestehen wird: I (Abteilung der Produktionsmittel) muß die zur Produktionserweiterung erforderlichen zuschüssigen Produktionsmittel sowohl für sich wie für II (Abteilung der Konsummittel) herstellen,während hinwiederum II die zuschüssigen Konsummittel zur Erweiterung des variablen Kapitals I und II zu liefern haben wird. Sieht man von der Geldzirkulation ab, so reduziert sich die Produktionserweiterung auf den Austausch der zuschüssigen Produkte I, deren II bedarf, und der zuschüssigen Produkte II, deren I bedarf.“ Bulgakow folgt hier also getreulich den Ausführungen Marxens und merkt gar nicht, daß seine These bis jetzt immer noch auf dem Papier bleibt. Er glaubt mit diesen mathematischen Formeln die Frage der Akkumulation gelöst zu haben. Daß man sich die Proportionen, die er aus Marx abschreibt, wohl vorstellen kann, ist außer Zweifel. Ebenso sicher ist es, daß, wenn die Produktionserweiterung stattfinden soll, sie sich in diesen Formeln ausdrücken kann. Bulgakow übersieht aber die Hauptfrage: Für wen findet denn die Erweiterung statt, deren Mechanismus er untersucht? Da sich die Akkumulation in mathematischen Proportionen auf dem Papier darstellen läßt, so ist sie auch schon vollbracht. Doch nachdem Bulgakow soeben die Sache für gelöst erklärt hat, stößt er im nächsten Moment, bei dem Versuch, die Geldzirkulation in die Analyse hineinzuführen, auf die Frage: Wo kommt bei I und II das Geld für den Ankauf der zuschüssigen Produkte her? Wir haben bei Marx gesehen, wie die wunde Stelle seiner Analyse, die eigentliche Frage nach den Konsumenten für die erweiterte Produktion, in der schiefen Form der Frage nach zuschüssigen Geldquellen immer wieder zum Vorschein kommt. Bulgakow folgt hier sklavisch der Marxschen Betrachtungsweise und akzeptiert dieselbe mißverständliche Fragestellung, ohne die darin enthaltene Verschiebung zu merken. Er stellt freilich fest, daß „Marx selbst auf diese Frage in den Brouillonheften[1], nach denen der zweite Band des ‚Kapitals‘ hergestellt ist, eine Antwort nicht gegeben hat“. Um so interessanter muß

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[1] Konzepthefte. – Siehe dazu Friedrich Engels: Vorwort [zu Karl Marx: „Das Kapital“, Zweiter Band]. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 7–13.