Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 220

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der Arbeiter, ihre Löhne, auch als Kapital betrachtet werden. Gegen den Begriff des variablen Kapitals kämpft er hitzig, denn dieser Begriff sei an allem Unheil schuld! „Möchten doch die Nationalökonomen“, fleht er, „mir hier Aufmerksamkeit schenken und unbefangen prüfen, ob sie oder ich recht haben! Hier liegt der Knotenpunkt aller Irrtümer des herrschenden Systems über das Kapital, hier der letzte Grund der theoretischen wie praktischen Ungerechtigkeit gegen die arbeitenden Klassen.“[1] Die „Gerechtigkeit“ fordert nämlich, daß man die „realen Lohngüter“ der Arbeiter nicht zum Kapital, sondern zur Kategorie Einkommen rechne. Rodbertus weiß zwar sehr wohl, daß für den Kapitalisten die von ihm „vorgestreckten“ Löhne ein Teil seines Kapitals sind, ganz so wie der andere in toten Produktionsmitteln vorgestreckte Teil. Allein das bezieht sich nach Rodbertus nur auf das Einzelkapital. Sobald er das gesellschaftliche Gesamtprodukt und die Gesamtreproduktion ins Auge faßt, erklärt er die kapitalistischen Kategorien der Produktion für ein Trugbild, eine boshafte Lüge und eine „Ungerechtigkeit“. „Etwas ganz anderes als das Kapital an sich, die Kapitalgegenstände, das Kapital vom Standpunkt der Nation, ist das Privatkapital, das Kapitalvermögen, das Kapitaleigentum, das, was gewöhnlich heute unter ‚Kapital‘ verstanden wird.“[2] Die Einzelkapitalisten produzieren kapitalistisch, die Gesamtgesellschaft aber genauso wie Robinson, d. h. als ein Gesamteigentümer, kommunistisch: „Daß jetzt das gesamte Nationalprodukt auf allen verschiedenen Produktionsstufen zu größeren oder kleineren Teilen einzelnen Privatpersonen, die zu den eigentlichen Produzenten gar nicht zu rechnen sind, zu eigen gehört, daß die eigentlichen Produzenten dies ganze Nationalprodukt immerfort nur im Dienste dieser wenigen Eigentümer herstellen, ohne Miteigentümer an

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[1] 1. c., Bd. I, S. 295. Auch hier käute Rodbertus sein Leben lang nur die Ideen wieder, die er schon 1842 in seinem „Zur Erkenntniß [unserer staatswirthschaftlichen Zustände]“ ausgesprochen hatte: „Indessen ist man für den heutigen Zustand selbst so weit gegangen, nicht bloß den Arbeitslohn, sondern selbst Renten und Profit zu den Kosten des Guts zu rechnen. Diese Ansicht verdient daher eine ausführliche Widerlegung. Ihr liegt zweierlei zum Grunde: a) eine schiefe Vorstellung von Kapital, in welcher man den Arbeitslohn in gleicher Weise zum Kapital rechnet wie Material und Werkzeuge, während er doch nur mit Renten und Profit auf gleicher Linie steht; b) eine Verwechselung der Kosten des Guts mit den Auslagen des Unternehmers oder den Kosten des Betriebs.“ (Zur Erkenntniß, Neubrandenburg und Friedland 1842, S. 14.). – [Fußnote im Original]

[2] l. c., Bd. I, S. 304. Genauso bereits in „Zur Erkenntniß [unserer staatswirthschaftlichen Zustände]“: „Man muß ... das Kapital im engeren oder eigentlichen Sinne von dem Kapital im weiteren Sinne oder Unternehmungsfonds unterscheiden. Jener umfaßt den wirklichen Vorrat von Werkzeugen und Material, dieser den ganzen nach den heutigen Verhältnissen der Teilung der Arbeit zur Unternehmung eines Betriebes notwendigen Fonds. – Jener ist das zur Produktion absolut notwendige Kapital, dieser hat nur durch die heutigen Verhältnisse eine solche relative Notwendigkeit. Jener Teil ist daher das Kapital im engeren und eigentlichen Sinne allein, und nur mit ihm fällt der Begriff des Nationalkapitals zusammen.“ (l. c., S. 23 u. 24.) – Im Original mit **.