Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 217

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gen, eine „feste Lohnquote“ gegenüber dem gesamten Produktwert einhalten? Der Einfall ist genauso geistreich, wie wenn man durch Gesetz fixieren wollte, bei der Herstellung aller Waren dürfe der Rohstoff nie mehr oder weniger als ein Drittel des Gesamtpreises der Waren ausmachen. Es ist klar, daß die Hauptidee Rodbertus’, auf die er stolz war und baute wie auf eine neue archimedische Entdeckung und mit der er die kapitalistische Produktion radikal kurieren wollte, von allen Standpunkten der kapitalistischen Produktionsweise ein barer, blühender Unsinn ist, zu dem man aber auch nur aus jener Konfusion über die Werttheorie heraus gelangen konnte, die bei Rodbertus in dem unvergleichlichen Satze kulminiert, „das Produkt müsse jetzt (in der kapitalistischen Gesellschaft – R. L.) so Tauschwert haben, wie es in der antiken Wirtschaft Gebrauchswert haben musste“.[1] In der antiken Gesellschaft mußten Brot und Fleisch gegessen werden, damit man von ihnen leben konnte, jetzt aber wird man schon satt, wenn man den Preis von Fleisch und Brot weiß! Was jedoch am deutlichsten aus der fixen Idee der „fixen Lohnquote“ bei Rodbertus herausschaut, ist seine völlige Unfähigkeit, die kapitalistische Akkumulation zu begreifen.

Man hat schon aus den früheren Zitaten entnehmen können, daß er, im Einklang mit der verkehrten Vorstellung, der Zweck der kapitalistischen Produktion sei die Herstellung von Konsumgegenständen zur Befriedigung „menschlicher Bedürfnisse“, ausschließlich die einfache Reproduktion im Auge hat. Spricht er doch immer nur vom „Ersatz des Kapitals“ und von der Notwendigkeit, die Kapitalisten zu befähigen, „ihre Betriebe in dem bisherigen Umfange“ fortzusetzen. Seine Hauptidee wendet sich aber direkt gegen die Akkumulation des Kapitals. Die Mehrwertrate fixieren, ihr Wachstum verhindern heißt die Akkumulation des Kapitals lahmlegen. In der Tat war für Sismondi wie für v. Kirchmann die Frage des Gleichgewichts zwischen Produktion und Konsumtion eine Frage der Akkumulation, d. h. der erweiterten kapitalistischen Reproduktion. Beide leiteten die Störungen in dem Gleichgewicht der Reproduktion von der Akkumulation her, deren Möglichkeit beide verneinten. Nur daß der eine als Mittel dagegen die Dämpfung der Produktivkräfte überhaupt, während der andere ihre steigende Verwendung in der Luxusproduktion, das restlose Verzehren des Mehrwerts empfahl. Rodbertus geht auch hier seine eigenen Wege. Während jene mit mehr oder weniger Erfolg die Erscheinung der kapitalistischen Akkumulation zu fassen suchten, kämpft Rodbertus gegen den Begriff.

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[1] l. c., Bd. II, S. 156. – [Fußnote im Original]