Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 212

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einen Seite entspräche stets die Unterproduktion auf der anderen. Und da die Wertanteile der Arbeiterklasse und der Kapitalisten sich ständig zuungunsten der ersteren verschieben, so würden unsere Handelskrisen im ganzen immer mehr den Charakter von periodischer Unterproduktion an Stelle von Überproduktion annehmen! Doch lassen wir diese Rätsel. Was aus alledem einleuchtet, ist, daß Rodbertus sich das Nationalprodukt dem Werte nach als lediglich zusammengesetzt aus zwei Teilen, aus v und m, denkt, darin also ganz die Auffassung und Überlieferung der klassischen Schule teilt, die er mit solcher Erbitterung bekämpft, verschönert noch um die Vorstellung, daß der ganze Mehrwert von den Kapitalisten konsumiert wird. Er spricht dies an mehreren Stellen mit dürren Worten aus, so im „Vierten socialen Brief“: „Demgemäß muß man gerade, um zuvörderst das Prinzip der Rente (des Mehrwerts – R. L.) überhaupt, das Prinzip der Teilung des Arbeitsprodukts in Lohn und Rente, zu finden, von den Gründen abstrahieren, welche die Scheidung der Rente überhaupt in Grundrente und Kapitalrente veranlassen.“[1] Und im „Dritten [socialen] Brief“: „Grundrente, Kapitalgewinn und Arbeitslohn, wiederhole ich, sind Einkommen. Grundbesitzer, Kapitalisten und Arbeiter wollen davon leben, d. h. ihre unmittelbaren menschlichen Bedürfnisse damit befriedigen. Die Güter, die im Einkommen bezogen werden, müssen also dazu brauchbar sein.“[2] Krasser ist die Verfälschung der kapitalistischen Wirtschaft in eine nur für die Zwecke der direkten Konsumtion bestimmte Produktion nirgends formuliert worden, und darin hat Rodbertus unzweifelhaft die Palme der „Priorität“ – nicht sowohl vor Marx wie vor allen Vulgärökonomen. Um ja keinen Zweifel über diese seine Konfusion bei dem Leser zu lassen, stellt er in demselben Briefe etwas weiter den kapitalistischen Mehrwert als ökonomische Kategorie direkt mit dem Einkommen des antiken Sklavenhalters in eine Reihe: „Mit dem ersten Zustand (der Sklaverei – R. L.) ist die einfachste Naturalwirtschaft verbunden; es wird der Teil des Arbeitsprodukts, der dem Einkommen der Arbeiter oder Sklaven entzogen ist und das Eigentum des Herrn oder Besitzers ausmacht, ungeteilt als eine Rente dem einen Grund-, Kapital-, Arbeiter- und Arbeitsproduktbesitzer zufallen; es werden selbst nicht dem Begriffe nach Grundrente und Kapitalgewinn zu unterscheiden sein. – Mit dem zweiten Zustande ist die komplizierteste Geldwirtschaft gegeben; es wird der Teil des Arbeitsprodukts, der dem Einkommen jetzt der freien Arbeiter entzogen ist und auf den Grund- und Kapitalbesitz fällt, sich

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[1] I. c., Bd. I, S. 19. – [Fußnote im Original]

[2] l. c., Bd. II, S. 110. – [Fußnote im Original]