Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 19

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Gründung von ebenso winzigen, sich selbst genügenden Filialgemeinden berücksichtigt wird. Ebenso bieten die alten kleinen Handwerksbetriebe in Indien oder China das Beispiel einer von Generation auf Generation vererbten traditionellen Wiederholung der Produktion in denselben Formen und demselben Umfang. Doch ist in allen solchen Fällen die einfache Reproduktion Grundlage und sicheres Zeichen des allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Stillstands. Alle entscheidenden Produktionsfortschritte und Kulturdenkmäler, wie die großen Wasserwerke des Orients, die ägyptischen Pyramiden, die römischen Heerstraßen, die griechischen Künste und Wissenschaften, die Entwicklung des Handwerks und der Städte im Mittelalter, wären unmöglich ohne erweiterte Reproduktion, denn nur eine stufenweise Ausdehnung der Produktion über die unmittelbaren Bedürfnisse hinaus und das ständige Wachstum der Bevölkerung wie ihrer Bedürfnisse bilden zugleich die wirtschaftliche Grundlage und den sozialen Antrieb zu entscheidenden Kulturfortschritten. Namentlich der Austausch und mit ihm die Entstehung der Klassengesellschaft und ihre historischen Fortschritte bis zur kapitalistischen Wirtschaftsform wären undenkbar ohne erweiterte Reproduktion. In der kapitalistischen Gesellschaft jedoch kommen der erweiterten Reproduktion einige neue Charaktere zu. Zunächst wird sie hier, wie bereits angeführt, zum Zwangsgesetz für den Einzelkapitalisten. Einfache Reproduktion, selbst Rückgang in der Reproduktion sind zwar auch bei der kapitalistischen Produktionsweise nicht ausgeschlossen, sie bilden vielmehr periodische Erscheinungen der Krisen nach der ebenso periodischen Überspannung der erweiterten Reproduktion in der Hochkonjunktur. Doch geht die allgemeine Bewegung der Reproduktion – über die periodischen Schwankungen des zyklischen Konjunkturwechsels hinweg – in der Richtung einer unaufhörlichen Erweiterung. Für den Einzelkapitalisten bedeutet die Unmöglichkeit, mit dieser allgemeinen Bewegung Schritt zu halten, das Ausscheiden aus dem Konkurrenzkampf, den wirtschaftlichen Tod.

Ferner kommt noch anderes hinzu. Bei jeder rein oder vorwiegend naturalwirtschaftlichen Produktionsweise – in einer agrarkommunistischen Dorfgemeinde Indiens oder in einer römischen Villa mit Sklavenarbeit oder im feudalen Fronhof des Mittelalters – bezieht sich Begriff und Zweck der erweiterten Reproduktion nur auf die Produktenmenge, auf die Masse der hergestellten Konsumgegenstände. Die Konsumtion als Zweck beherrscht den Umfang und Charakter sowohl des Arbeitsprozesses im einzelnen wie der Reproduktion im allgemeinen. Anders unter der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Die kapitalistische Produktion ist nicht

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