Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 20

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eine solche zu Konsumtionszwecken, sondern eine Wertproduktion. Die Wertverhältnisse beherrschen den gesamten Produktions- wie Reproduktionsprozeß. Kapitalistische Produktion ist nicht Produktion von Konsumgegenständen, auch nicht von Waren schlechthin, sondern von Mehrwert. Erweiterte Reproduktion bedeutet also kapitalistisch: Ausdehnung der Mehrwertproduktion. Die Mehrwertproduktion geht zwar in der Form der Warenproduktion, in letzter Linie also Produktion von Konsumgegenständen, vor sich. Allein in der Reproduktion werden diese zwei Gesichtspunkte durch Verschiebungen in der Produktivität der Arbeit immer wieder getrennt. Dieselbe Kapitalgröße und Mehrwertgröße wird sich durch Steigerung der Produktivität fortschreitend in einer größeren Menge Konsumgegenstände darstellen. Die Produktionserweiterung im Sinne der Herstellung einer größeren Masse von Gebrauchswerten braucht also an sich noch nicht erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne zu sein. Umgekehrt kann das Kapital ohne Änderung in der Produktivität der Arbeit in gewissen Schranken durch Steigerung der Ausbeutungsstufe – zum Beispiel durch Herabdrückung der Löhne – einen größeren Mehrwert herausschlagen, ohne eine größere Produktenmenge herzustellen. Aber in diesem wie in jenem Fall werden gleichermaßen die Elemente der erweiterten Reproduktion im kapitalistischen Sinne hergestellt. Denn diese Elemente sind: Mehrwert sowohl als Wertgröße wie als Summe von sachlichen Produktionsmitteln. Die Erweiterung der Mehrwertproduktion wird, als Regel betrachtet, durch Vergrößerung des Kapitals bewirkt, diese aber durch Hinzuschlagen eines Teils des angeeigneten Mehrwerts zum Kapital. Dabei ist es gleichgültig, ob der kapitalistische Mehrwert zur Erweiterung der alten Unternehmung oder als selbständiger Ableger zu Neugründungen verwendet wird. Die erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne bekommt also den spezifischen Ausdruck des Kapitalwachstums durch progressive Kapitalisierung des Mehrwerts oder, wie Marx dies nennt, Kapitalakkumulation. Die allgemeine Formel der erweiterten Reproduktion unter der Herrschaft des Kapitals stellt sich also folgendermaßen dar:

wobei den kapitalisierten Teil des in der früheren Produktionsperiode angeeigneten Mehrwerts darstellt, m' den neuen, aus dem gewachsenen Kapital erzeugten Mehrwert. Dieser neue Mehrwert wird zu einem Teil wieder kapitalisiert. Der ständige Fluß dieser abwechselnden Mehrwertaneignung und Mehrwertkapitalisierung, die sich wechselseitig bedingen, bildet den Prozeß der erweiterten Reproduktion im kapitalistischen Sinne.

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