Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 177

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mehrung ihrer Glückseligkeit und infolgedessen der Vermehrung ihrer Nachfrage nach neuen Produkten und der Mittel, sie zu bezahlen, besteht. Aber die Folgen unserer Einrichtungen, unserer Gesetzgebung, die die arbeitende Klasse jedes Eigentums und jeder Garantie beraubt haben, haben zu gleicher Zeit zu einer ungeordneten Arbeit angespornt, die weder zu der Nachfrage noch zu der Kaufkraft im Verhältnis steht, die infolgedessen das Elend noch verschärft.“ Und er schließt die Debatte, indem er den satten Harmoniker einlädt, über die Zustände nachzudenken, „die die reichen Völker darbieten, bei denen das öffentliche Elend zugleich mit dem materiellen Reichtum unaufhörlich zunimmt und bei denen die Klasse, die alles produziert, täglich mehr in den Zustand versetzt wird, nichts genießen zu dürfen“. In diese schrille Dissonanz der kapitalistischen Widersprüche klingt der erste Waffengang um das Problem der Kapitalakkumulation aus.

Überblickt man den Verlauf und die Ergebnisse dieser ersten Kontroverse, so sind zwei Punkte festzustellen:

1. Trotz aller Konfusion in der Analyse Sismondis kommt seine Überlegenheit gegenüber der Ricardoschule wie gegenüber dem angeblichen Chef der Smithschen Schule zum Ausdruck: Sismondi betrachtet die Dinge vom Standpunkte der Reproduktion, er sucht Wertbegriffe – Kapital und Einkommen – und sachliche Momente – Produktionsmittel und Konsummittel – so gut es geht in ihren Wechselbeziehungen im gesellschaftlichen Gesamtprozeß zu erfassen. Darin steht er Ad. Smith am nächsten. Nur daß er die Widersprüche des Gesamtprozesses, die bei Smith als dessen subjektive theoretische Widersprüche erscheinen, bewußt als den Grundton seiner Analyse hervorhebt und das Problem der Akkumulation des Kapitals als den Knotenpunkt und die Hauptschwierigkeit formuliert. Darin bedeutet Sismondi einen unzweifelhaften Fortschritt über Smith hinaus. Ricardo hingegen mit seinen Epigonen sowie Say stecken in der ganzen Debatte lediglich in den Begriffen der einfachen Warenzirkulation, für sie existiert nur die Formel W – G – W (Ware – Geld – Ware), wobei sie sie noch in einen direkten Warenaustausch verfälschen und mit dieser dürren Weisheit sämtliche Probleme des Reproduktions- und Akkumulationsprozesses erschöpft haben wollen. Das ist ein Rückschritt hinter Smith, und gegen diese Borniertheit ist Sismondi entschieden im Vorteil. Gerade als sozialer Kritiker zeigt er hier viel mehr Sinn für die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie als ihre eingeschworenen Apologeten, genauso wie später Marx als Sozialist unendlich schärferes Verständnis für die Differentia specifica des kapitalistischen Wirtschafts-

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