Luft leben, aber er erkennt wenigstens die Existenz der Arbeiter und gibt ihren Verbrauch an. Bei Ricardo ist von Arbeitern nicht einmal die Rede, und die Unterscheidung von variablem Kapital und Mehrwert existiert überhaupt nicht. Demgegenüber will es wenig verschlagen, daß Ricardo, genau wie sein Schüler, von dem konstanten Kapital völlig absieht: Er will das Problem der Realisierung des Mehrwertes und der Kapitalerweiterung lösen, ohne mehr vorauszusetzen, als daß es ein gewisses Quantum Waren gibt, die gegenseitig ausgetauscht werden.
Sismondi gibt sich, ohne die gänzliche Verschiebung des Kampffeldes zu merken, redliche Mühe, die Phantasien seines berühmten Gastes und Widerparts, bei dessen Voraussetzungen man, wie er sich beklagt, „von Zeit und Raum absehen müsse, wie die deutschen Metaphysiker pflegen“, auf die flache Erde zu projizieren und in ihren unsichtbaren Widersprüchen zu zergliedern. Er pfropft die Ricardosche Hypothese auf „die Gesellschaft in ihrer wirklichen Organisation mit Arbeitern ohne Eigentum, deren Lohn durch den Wettbewerb festgesetzt wird und die ihr Herr, wenn er ihrer nicht mehr bedarf, entlassen kann“, denn – bemerkt Sismondi so treffend wie bescheiden – „gerade auf diese wirtschaftliche Organisation stützen sich unsere Entwürfe“. Und er deckt die mannigfachen Schwierigkeiten und Konflikte auf, mit denen die Fortschritte der Produktivität der Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen verknüpft sind. Er weist nach, daß die von Ricardo angenommenen Verschiebungen in der Arbeitstechnik gesellschaftlich zu der folgenden Alternative führen müssen: Entweder wird im Verhältnis zum Wachstum der Produktivität ein entsprechender Teil der Arbeiter entlassen, und dann erhalten wir auf der einen Seite einen Überschuß an Produkten, auf der anderen Seite Arbeitslosigkeit und Elend, also ein treues Bild der gegenwärtigen Gesellschaft, oder das überschüssige Produkt wird zur Erhaltung von Arbeitern in einem neuen Produktionszweige: der Luxusproduktion, verwendet. Hier angelangt, schwingt sich Sismondi zu einer entschiedenen Überlegenheit über Ricardo auf. Er erinnert sich plötzlich an die Existenz des konstanten Kapitals, und jetzt ist er es, der dem englischen Klassiker haarscharf auf den Leib rückt: „Um eine neue Manufaktur, eine Luxusmanufaktur zu begründen, bedarf es auch eines neuen Kapitals; Maschinen müssen gebaut, Rohstoffe bestellt werden, ein ferner Handel muß in Tätigkeit treten, denn die Reichen begnügen sich nicht gern mit den Genüssen, die in ihrer Nähe erzeugt werden. Wo finden wir nun dieses neue Kapital, das vielleicht viel erheblicher ist als dasjenige, was die Landwirtschaft verlangt? ... Unsere Luxusarbeiter sind noch lange nicht so weit, das Ge-