Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 170

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jeder von ihnen wird besser bekleidet und besser ernährt werden; ein neuer Fortschritt erhöht den Tausch auf zwölfhundert Ellen gegen zwölfhundert Sack und so fort: Das Anwachsen der Produktion vermehrt stets die Genüsse der Produzenten.“[1]

Mit tiefer Beschämung muß man feststellen, daß die Deduktionen des großen Ricardo hier womöglich auf noch tieferem Niveau stehen als die des „schottischen Erzhumbugs“ MacCulloch. Wir sind wieder eingeladen, als Zuschauer einem harmonischen und anmutigen Kontertanz zwischen „Ellen” und „Säcken“ beizuwohnen, wobei just das, was bewiesen werden sollte: ihr Proportionalitätsverhältnis, einfach vorausgesetzt ist. Aber noch besser: Alle die Voraussetzungen des Problems, um die es sich handelte, sind dafür einfach weggelassen. Das Problem, der Gegenstand der Kontroverse – um es immer wieder festzuhalten – bestand darin: Wer ist Konsument und Abnehmer für den Überschuß an Produkten, der entsteht, wenn die Kapitalisten über den Verbrauch ihrer Arbeiter und ihren eigenen Verbrauch hinaus Waren herstellen, d. h., wenn sie einen Teil des Mehrwerts kapitalisieren und dazu verwenden, die Produktion zu erweitern, das Kapital zu vergrößern? Darauf antwortet Ricardo, indem er überhaupt auf Kapitalvergrößerung nicht mit einem Worte eingeht. Was er uns vormalt in den verschiedenen Etappen der Produktion, ist bloß stufenweise Erhöhung der Produktivität der Arbeit. Es werden nach seiner Annahme immer mit derselben Anzahl Arbeitskräfte erst tausend Sack Getreide und tausend Ellen Wollgewebe, dann elfhundert Sack und elfhundert Ellen, später zwölfhundert Sack und zwölfhundert Ellen produziert, und so mit Grazie fort. Ganz abgesehen von der langweiligen Vorstellung der soldatenmäßig gleichen Marschbewegung auf beiden Seiten und der Übereinstimmung selbst der Anzahl Gegenstände, die zum Austausch gelangen sollen, ist in dem ganzen Beispiel keine Rede von Kapitalerweiterung. Was wir hier immer vor Augen haben, ist nicht erweiterte Reproduktion, sondern einfache Reproduktion, bei der bloß die Masse Gebrauchswerte, nicht aber der Wert der gesellschaftlichen Gesamtprodukte anwächst. Da für den Austausch nicht die Menge Gebrauchswerte, sondern lediglich ihre Wertgröße in Betracht kommt, diese aber im Beispiele Ricardos immer die gleiche bleibt, so bewegt er sich eigentlich nicht vom Fleck, obwohl er sich den Anschein gibt, fortschreitende Erweiterung der Produktion zu analysieren. Endlich existieren bei Ricardo überhaupt die Kategorien der Reproduktion nicht, auf die es ankommt. MacCulloch läßt zuerst seine Kapitalisten ohne Mehrwert produzieren und von der

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[1] Nouveaux principes, 2. Aufl., S. 416. – [Fußnote im Original]