Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 158

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/158

wirkliche Zersplitterung dieser gesellschaftlichen Arbeitsteilung, die zu zahllosen privaten Austauschakten führt, bei denen das Zusammenfallen der Käufe mit Verkäufen der gegenseitigen Waren zu den seltensten Ausnahmefällen gehört. Die MacCullochsche simplistische Auffassung des Warenaustausches macht überhaupt die ökonomische Bedeutung und das historische Auftreten des Geldes ganz unbegreiflich, indem sie die Ware direkt zum Gelde macht, ihr unmittelbare Austauschbarkeit andichtet.

Sismondis Antwort ist nun allerdings ziemlich unbeholfen. Er führt uns, um die Untauglichkeit der MacCullochschen Darstellung des Warenaustausches für die kapitalistische Produktion darzutun, auf die Leipziger Büchermesse:

„Zu der Büchermesse in Leipzig kommen alle Buchhändler aus ganz Deutschland, jeder mit vier oder fünf Werken, die er ausgestellt hat, von denen jedes Werk in einer Auflage von 500 oder 600 Exemplaren gedruckt ist. Jeder von ihnen tauscht sie gegen andere Bücher ein und bringt 2400 Bände nach Hause, wie er 2400 mit zur Messe gebracht hat. Er hatte aber vier verschiedene Werke hingebracht und bringt 200 verschiedene heim. Das ist die korrelative und wandelbare Nachfrage und Produktion des Schülers Ricardo: Die eine kauft die andere, die eine bezahlt die andere, die eine ist die Folge der anderen, aber nach unserer Meinung, nach der Meinung des Buchhändlers und des Publikums, hat die Nachfrage und der Verbrauch noch nicht begonnen. Das schlechte Buch, wenn es auch in Leipzig getauscht worden ist, bleibt nichtsdestoweniger unverkauft (ein arger Irrtum von Sismondi dies! – R. L.), es wird nicht weniger die Regale des Buchhändlers füllen, sei es, daß niemand Bedarf nach ihm hat, sei es, daß der Bedarf bereits gedeckt ist. Die in Leipzig eingetauschten Bücher werden sich nur dann verkaufen, wenn die Buchhändler Privatleute finden, die sie nicht nur begehren, sondern die auch bereit sind, ein Opfer zu bringen, um sie aus dem Umlauf zu ziehen. Diese erst bilden eine wirkliche Nachfrage.“ Trotz seiner Naivität zeigt das Beispiel deutlich, daß Sismondi sich durch die Finte seines Widersachers nicht beirren läßt und weiß, worum es sich im Grunde genommen handelt.[1] MacCulloch macht nun weiter einen Versuch, die Betrachtung vom ab-

Nächste Seite »



[1] Die Leipziger Büchermesse Sismondis als Mikrokosmos des kapitalistischen Weltmarkts feierte übrigens nach fünfundfünfzig Jahren eine fröhliche Auferstehung – in dem wissenschaftlichen „System“ Eugen Dührings. Und wenn Engels in seiner kritischen Stäupung des unglücklichen Universalgenies diesen Einfall damit erklärt, Dühring zeige sich darin als „echter deutscher Literatus“, daß er sich wirkliche industrielle Krisen an eingebildeten Krisen auf dem Leipziger Büchermarkt, den Sturm auf der See am Sturm im Glase Wasser klarzumachen suche, so hat der große Denker auch hier wieder, wie in so vielen von Engels nachgewiesenen Fällen, einfach eine stille Anleihe bei einem anderen gemacht. – [Fußnote im Original]