Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 129

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der Kapitalistenklasse vor sich gehen, unter einzelnen Kapitalisten stattfinden, so geht auch das vermittelnde Geldmedium hierbei nur aus einer Hand der Kapitalisten in die andere und bleibt immer in der Tasche der Kapitalistenklasse hängen. Da die einfache Reproduktion stets dieselben Mengen Werte zum Austausch bringt, so dient zur Zirkulation des Mehrwerts jedes Jahr dieselbe Geldmenge, und man könnte höchstens, bei ausnahmsweiser Gründlichkeit, etwa die Frage stellen: Wo kam diese zur Vermittelung der eigenen Konsumtion der Kapitalisten dienende Geldmenge einst in die Taschen der Kapitalisten her? Aber diese Frage löst sich in die andere allgemeinere Frage auf: Wo kam überhaupt das erste Geldkapital einst in die Hände der Kapitalisten her, jenes Geldkapital, von dem sie neben der Verwendung für produktive Anlagen einen gewissen Teil stets in der Tasche behalten mußten für die Zwecke der persönlichen Konsumtion? Die so gestellte Frage schlägt aber in das Kapitel der sogenannten „primitiven Akkumulation“, d. h. der geschichtlichen Genesis des Kapitals, und fällt aus dem Rahmen der Analyse sowohl des Zirkulations- wie des Reproduktionsprozesses.

So ist die Sache klar und unzweideutig – wohlgemerkt: solange wir auf dem Boden der einfachen Reproduktion stehen. Hier wird das Problem der Realisierung des Mehrwertes durch die Voraussetzungen selbst gelöst, es ist eigentlich schon antizipiert im Begriff der einfachen Reproduktion. Diese beruht eben darauf, daß der ganze Mehrwert von der Kapitalistenklasse konsumiert wird, und damit ist gesagt, daß er von ihr auch gekauft, d. h. von den Einzelkapitalisten einander abgekauft werden muß.

„In diesem Fall“, sagt Marx selbst, „war angenommen, daß die Geldsumme, die der Kapitalist bis zum ersten Rückfluß seines Kapitals zur Bestreitung seiner individuellen Konsumtion in Zirkulation wirft, exakt gleich ist dem von ihm produzierten und daher zu versilbernden Mehrwert. Dies ist offenbar, mit Bezug auf den einzelnen Kapitalisten, eine willkürliche Annahme. Aber sie muß richtig sein für die gesamte Kapitalistenklasse, bei Unterstellung einfacher Reproduktion. Sie drückt nur dasselbe aus, was diese Unterstellung besagt, nämlich daß der ganze Mehrwert, aber auch nur dieser, also kein Bruchteil des ursprünglichen Kapitalstocks, unproduktiv verzehrt wird.“[1]

Aber die einfache Reproduktion auf kapitalistischer Basis ist in der theoretischen Ökonomie eine imaginäre Größe, eine wissenschaftlich so berechtigte und unentbehrliche imaginäre Größe wie √ –– 1 in der Mathe-

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[1] Das Kapital, Bd. II, S. 309. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 337.] – [Fußnote im Original]