Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 771

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durch die Preisschwankungen und Krisen, die teils täglich, teils periodisch einen Ausgleich zwischen der blinden und chaotischen Produktion und den Bedürfnissen der Gesellschaft herbeiführen.

Auf diese Weise, durch die mechanische Wirkung der obigen wirtschaftlichen Gesetze, die ganz von selbst, ohne jede bewußte Einmischung der Gesellschaft entstanden sind, existiert die kapitalistische Wirtschaft. Das heißt, auf diese Weise wird es ermöglicht, daß, trotzdem jeder organisierte wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Produzenten fehlt, trotz der gänzlichen Planlosigkeit in dem wirtschaftlichen Treiben der Menschen, die gesellschaftliche Produktion und ihr Kreislauf mit der Konsumtion vor sich geht, die große Masse der Gesellschaft an der Arbeit gehalten wird, die Bedürfnisse der Gesellschaft schlecht oder recht gedeckt werden und der ökonomische Fortschritt: die Entwicklung der Produktivität der menschlichen Arbeit, als die Grundlage des ganzen Kulturfortschritts gesichert ist.

Dies sind aber die Grundbedingungen der Existenz jeder menschlichen Gesellschaft, und solange eine geschichtlich entstandene Wirtschaftsform diesen Bedingungen Genüge tut, kann sie ihrerseits bestehen, ist sie eine historische Notwendigkeit.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind aber keine starren, unbeweglichen Formen. Wir haben gesehen, wie sie im Laufe der Zeiten vielfache Veränderungen aufwiesen, wie sie einem ewigen Wechsel unterworfen sind, in dem sich eben der menschliche Kulturfortschritt, die Entwicklung Bahn bricht. Auf die langen Jahrtausende der urkommunistischen Wirtschaft, die die menschliche Gesellschaft von den ersten Anfängen des noch halbtierischen Daseins zu einer hohen Entwicklungsstufe der Kultur geleiten, zur Ausbildung der Sprache und der Religion, zur Viehzucht und zum Ackerbau, zur seßhaften Lebensweise und zur Dorfbildung, folgt die allmähliche Zersetzung des Urkommunismus, folgt die Ausbildung der antiken Sklaverei, die ihrerseits große neue Fortschritte im gesellschaftlichen Leben mit sich bringt, um wiederum mit dem Verfall der antiken Welt zu enden. Aus der kommunistischen Gesellschaft der Germanen in Mitteleuropa erwächst auf den Trümmern der antiken Welt eine neue Form – die Fronwirtschaft, auf der der mittelalterliche Feudalismus basierte.

Wieder nimmt die Entwicklung ihren ununterbrochenen Fortgang: Im Schoße der feudalen Gesellschaft des Mittelalters entstehen in den Städten Keime einer ganz neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsform, es bilden sich das Zunfthandwerk, die Warenproduktion und ein regelmäßiger Handel

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