Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 766

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zerrt, und das Proletariat bildet erst mitsamt der breiten Schicht der ländlichen Arbeiter wie mit seiner Armee der Arbeitslosen und mit allen Schichten, von den obersten bis zu den untersten, ein organisches Ganzes, eine soziale Klasse, an deren verschiedenen Abstufungen der Not und des Druckes man das kapitalistische Lohngesetz im ganzen richtig erfassen kann. Endlich aber heißt es nur die Hälfte des Lohngesetzes erfassen, wenn man bloß die Bewegungen des absoluten Lohnes erkannt hat. Das Gesetz des mechanischen Sinkens des relativen Lohnes mit dem Fortschritt der Produktivität der Arbeit vervollständigt erst das kapitalistische Lohngesetz zu seiner wirklichen Tragweite.

Die Beobachtung, daß die Löhne der Arbeiter durchschnittlich die Tendenz haben, auf dem Minimum der notwendigen Lebensmittel zu stehen, wurde schon im 18. Jahrhundert von den französischen und englischen Begründern der bürgerlichen Nationalökonomie gemacht. Sie erklärten aber den Mechanismus, durch den dieses Lohnminimum geregelt wird, in eigentümlicher Weise, nämlich durch Schwankungen im Angebot der arbeitsuchenden Kräfte. Wenn die Arbeiter größere Löhne kriegen, als absolut notwendig zum Leben, erklärten jene Gelehrten, dann heiraten sie häufig und setzen viele Kinder in die Welt. Dadurch wird wieder der Arbeitsmarkt so überfüllt, daß er die Nachfrage des Kapitals weit übertrifft. Das Kapital drückt dann, benutzend die große Konkurrenz unter den Arbeitern, die Löhne stark herab. Reichen die Löhne aber nicht zum notwendigen Lebensunterhalt, dann sterben die Arbeiter massenhaft aus, ihre Reihen lichten sich, bis nur so viel bleiben, wie das Kapital brauchen kann, und damit gehen die Löhne wieder in die Höhe. Durch dieses Pendeln zwischen übermäßiger Vermehrung und übermäßiger Sterblichkeit in der Arbeiterklasse werden die Löhne immer wieder auf das Minimum der Lebensmittel zurückgebracht. Diese Theorie, die bis in die sechziger Jahre in der Nationalökonomie herrschte, hatte auch Lassalle übernommen und nannte sie das „eherne, unerbittliche Gesetz“ ...[1]

Die schwachen Seiten dieser Theorie liegen heute bei der vollen Entwicklung der kapitalistischen Produktion auf flacher Hand. Die Großindustrie kann nämlich bei dem fieberhaften Gang der Geschäfte und der Konkurrenz mit dem Herabdrücken der Löhne nicht warten, bis die Arbeiter erst durch den Überfluß zu oft heiraten, dann zuviel Kinder in die Welt setzen, bis diese Kinder erwachsen werden und auf dem Arbeitsmarkt erscheinen, um hier die erwünschte Überfüllung herbeizuführen. Die Bewegung der Löhne hat entsprechend dem Puls der Industrie nicht

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[1] Punkte in der Quelle.