Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 750

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ist ein Bestreben, die Konsumtion des Arbeiters auf einen einfachen öden Akt der Zufuhr eines Minimums von Futter an den Leib zu reduzieren, wie das Vieh gefüttert oder die Maschine geölt wird. Dabei werden die tiefststehenden und bedürfnislosesten Arbeiter als das Muster und Beispiel den verwöhnten Arbeitern hingestellt. Dieser Kreuzzug gegen die menschliche Lebenshaltung der Arbeiter begann – wie die kapitalistische Industrie – zuerst in England. Ein englischer Schriftsteller jammerte im 18. Jahrhundert: „Man betrachte nur die haarsträubende Masse von Überflüssigkeiten, die unsere Manufakturarbeiter verzehren, als da sind: Branntwein, Gin, Tee, Zucker, fremde Früchte, starkes Bier, gedruckte Leinwand, Schnupf- und Rauchtabak usw.“ Den englischen Arbeitern wurden damals die französischen, holländischen, deutschen als Muster der Enthaltsamkeit hingestellt. So schrieb ein englischer Fabrikant: „Die Arbeit ist ein ganzes Drittel wohlfeiler in Frankreich als in England; denn die französischen Armen (so nannte man die Arbeiter – R. L.) arbeiten hart und fahren hart an Nahrung und Kleidung, und ihr Hauptkonsum sind Brot, Kräuter, Wurzeln und getrockneter Fisch, denn sie essen sehr selten Fleisch und, wenn der Weizen teuer ist, sehr wenig Brot.“ Gegen Anfang des 19. Jahrhunderts verfaßte ein Amerikaner, Graf Rumford, ein spezielles „Kochbuch für Arbeiter“ mit Rezepten zur Verbilligung ihrer Nahrung. So lautete zum Beispiel ein Rezept aus diesem berühmten Buch, das mit großer Begeisterung von der Bourgeoisie verschiedener Länder aufgenommen wurde: „Fünf Pfund Gerste, fünf Pfund Mais, für 30 Pf Heringe, 10 Pf Salz, 10 Pf Essig, 20 Pf Pfeffer und Kräuter – Summa von 2,08 M, gibt eine Suppe für 64 Menschen, ja mit den Durchschnittspreisen von Korn kann die Kost auf noch nicht 3 Pf pro Kopf herabgedrückt werden.“ Von den Arbeitern in den Bergwerken Südamerikas, deren tägliches Geschäft, das schwerste vielleicht in der Welt, darin besteht, eine Last Erz von 180 bis 200 Pfund aus einer Tiefe von 450 Fuß auf ihren Schultern zutage zu fördern, erzählt Justus Liebig, daß sie nur noch von Brot und Bohnen leben. Sie würden das Brot allein zur Nahrung vorziehen, allein ihre Herren, welche gefunden haben, daß sie mit Brot nicht so stark arbeiten können, behandeln sie wie Pferde und zwingen sie, die Bohnen zu essen, weil die Bohnen mehr zur Knochenbildung beitragen als Brot. In Frankreich gab es schon im Jahre 1831 die erste Hungerrevolte der Arbeiter – diejenige der Seidenweber in Lyon. Aber die größten Orgien feierte das Kapital in der Herabdrückung der Löhne unter dem Zweiten Kaiserreich in den sechziger Jahren, als die eigentliche Maschinenindustrie Einzug hielt in Frankreich. Die Unternehmer flüchteten

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