Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 738

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im alten Rom, nachdem die große Masse der freien Kleinbauern durch die Herausbildung großer adeliger Besitztümer mit Sklavenwirtschaft von ihren Grundstücken verdrängt wurden. Sie blieben persönlich freie Menschen, da sie aber keinen Grund und Boden mehr, also keine Produktionsmittel hatten, so kamen sie vom Lande her massenweise nach Rom als freie Proletarier. Indes hier konnten sie ihre Arbeitskraft nicht etwa verkaufen, denn es würde sich kein Käufer dafür finden; die reichen Grundbesitzer und Kapitalisten brauchten keine gekauften freien Arbeitskräfte, weil sie sich von Sklavenhänden erhalten ließen. Die Sklavenarbeit genügte damals vollständig zur Befriedigung aller Lebensbedürfnisse der Grundbesitzer, die für sich alles mögliche durch Sklavenhände verfertigen ließen. Mehr aber als zum eigenen Leben und Luxus konnten sie Arbeitskräfte nicht verwenden, weil nur eigener Konsum und nicht Warenverkauf Zweck der Sklavenproduktion war. Den römischen Proletariern waren somit alle Lebensquellen aus eigener Arbeit verschlossen, und es blieb ihnen auch nichts anderes übrig, als vom Bettel – vom Staatsbettel, von periodischen Verteilungen der Lebensmittel – zu leben. Statt der Lohnarbeit entstand also im alten Rom Massenfütterung der besitzlosen Freien auf Staatskosten, weshalb der französische Ökonomist Sismondi sagte: Im alten Rom erhielt die Gesellschaft ihre Proletarier, heute erhalten die Proletarier die Gesellschaft. Wenn aber heute die Arbeit der Proletarier für eigene und fremde Erhaltung, wenn der Verkauf ihrer Arbeitskraft möglich ist, so ist es deshalb, weil heute die freie Arbeit die einzige und ausschließliche Form der Produktion ist und weil sie als Warenproduktion eben nicht auf den direkten Konsum gerichtet ist, sondern auf Herstellung von Produkten zum Verkauf. Der Sklavenhalter kaufte Sklaven zur eigenen Bequemlichkeit und zum Luxus, der Feudalherr preßte dem Fronbauern Leistungen und Abgaben zu demselben Zweck ab: um in Saus und Braus mit seiner Sippschaft zu leben. Der moderne Unternehmer läßt die Arbeiter nicht Gegenstände der Nahrung, Kleidung und Luxus für den eigenen Gebrauch produzieren, sondern er läßt sie Waren zum Verkauf produzieren, um dafür Geld zu lösen. Und dieses Geschäft eben macht ihn zum Kapitalisten, wie es den Arbeiter zum Lohnarbeiter macht.

So sehen wir, daß die bloße Tatsache des Verkaufs der Arbeitskraft als Ware auf eine ganze Reihe bestimmter gesellschaftlicher und geschichtlicher Verhältnisse hinweist. Die bloße Erscheinung der Arbeitskraft als Ware auf dem Markt zeigt an: 1. die persönliche Freiheit der Arbeiter; 2. ihre Trennung von den Produktionsmitteln sowie Ansammlung der Produktionsmittel in den Händen Nichtarbeitender; 3. einen hohen Grad der

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