Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 726

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Zwecke des Handels immer mehr erhöht, das Fronverhältnis wird zur Leibeigenschaft, der Bauer wird geschunden bis zu den äußersten Grenzen. Zum Schluß führt dieselbe Verbreitung des Handels und Herrschaft des Geldes zur Ablösung der Naturalleistungen aus der Leibeigenschaft in Geldabgaben. Damit hat aber auch die Stunde der ganzen überlebten Fronverhältnisse geschlagen.[1]

Endlich bringt der Handel im Mittelalter die freien Städte zu Macht und Reichtum, führt aber dadurch auch noch die Zersetzung und den Verfall des alten Zunfthandwerks herbei. Sehr früh wird durch das Aufkommen des Metallgeldes namentlich der Welthandel aufgebracht. Schon im Altertum widmen sich besondere Völker wie die Phönizier der Kaufmannsrolle zwischen den Völkern, um auf diesem Wege Geldmassen an sich zu bringen und Reichtümer in Geldform zu sammeln. Im Mittelalter fällt diese Rolle den freien Städten, zuerst den italienischen Städten zu. Nach der Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ostindien am Ende des 15. Jahrhunderts erfährt der Welthandel eine plötzliche große Erweiterung: Die neuen Länder boten sowohl neue Produkte für den Handel wie neue Goldminen, das heißt Geldstoff.[2] Nach der enormen Goldeinfuhr aus Amerika im 16. Jahrhundert kommen die norddeutschen Städte – hauptsächlich die Hansastädte – durch den Welthandel zu enormen Reichtümern, dann Holland und England. Damit wird in den europäischen Städten und zum großen Teil auch auf dem flachen Lande die Warenwirtschaft, das heißt die Produktion für den Austausch, zur herrschenden Form des Wirtschaftslebens. So beginnt der Austausch aus leisen, unmerklichen Anfängen schon in grauer Vorzeit an den Grenzen der wilden kommunistischen Stämme, rankt sich empor und wächst neben allen sukzessiven planmäßigen Wirtschaftsorganisationen, wie freie einfache Bauernwirtschaft, orientalische Despotie, antike Sklaverei, mittelalterliches Fronverhältnis, städtisches Zunftregiment, um sie nacheinander alle zu zerfressen und zum Zusammenbruch bringen zu helfen und schließlich die völlig anarchische, planlose Wirtschaft isolierter Privatproduzenten als alleinige und allgemein herrschende Wirtschaftsform zur Herrschaft zu bringen.[3]

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[1] Randnotiz: R. L.: Karl Marx: Das Kapital, Bd. I, S. 198–200. [Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 250–253.]

[2] Randnotiz R. L.: NB. Fauxfrais [Unkosten] der planlosen Gesellschaft; im Geld muß sie sozusagen noch einmal ihren ges. Reichtum herstellen.

[3] Randnotiz R. L.: NB. Kulturbedeutung des Handels seit Prähistorie. Intern. Zusammenhang!