Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 590

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Proudhonsche Volksbank für gerechten Warenaustausch oder die Produktivassoziationen Louis Blancs, realisiert werden. Der einzige Sozialist, der auf den politischen Kampf als Mittel zur Verwirklichung der sozialen Revolution rechnete, war Blanqui, dadurch der einzige wirkliche Vertreter des Proletariats und seiner revolutionären Klasseninteressen in jener Periode. Allein auch sein Sozialismus war im Grunde genommen ein Projekt, das, jederzeit realisierbar, als eine Frucht des entschlossenen Willens einer revolutionären Minderheit und eines von ihr durchgeführten plötzlichen Umsturzes ins Werk gesetzt werden konnte.

Das Jahr 1848 sollte der Kulminationspunkt und zugleich die Krise des älteren Sozialismus in all seinen Spielarten werden. Das Pariser Proletariat, beeinflußt durch Traditionen der früheren revolutionären Kämpfe, aufgewühlt durch verschiedene sozialistische Systeme, hing mit Leidenschaft verschwommenen Ideen von einer gerechten Gesellschaftsordnung nach. Sobald das Bürgerkönigtum Louis-Philippes gestürzt war, benutzten die Pariser Arbeiter ihre Machtstellung, um von der erschrockenen Bourgeoisie diesmal die Verwirklichung der „sozialen Republik“ und einer neuen „Organisation der Arbeit“ zu fordern. Zur Durchführung dieses Programms wurde der provisorischen Regierung vom Proletariat die berühmte Frist von drei Monaten gewährt, während der die Arbeiter hungerten und warteten, die Bourgeoisie aber und das Kleinbürgertum sich im stillen bewaffneten und die Niederwerfung der Arbeiter vorbereiteten. Die Frist endete mit der denkwürdigen Junischlächterei[1], in der das Ideal einer jederzeit realisierbaren „sozialen Republik” in Blutströmen des Pariser Proletariats erstickt wurde. Die Revolution von 1848 führte nicht das Reich der sozialen Gleichheit herbei, sondern die politische Herrschaft der Bourgeoisie und einen ungeahnten Aufschwung der kapitalistischen Ausbeutung unter dem Zweiten Kaiserreich.

Doch um dieselbe Zeit, wo der Sozialismus alter Schulen unter den zerschmetterten Barrikaden der Juniinsurrektion auf immer begraben schien, wurde die sozialistische Idee von Marx und Engels auf eine ganz neue Basis gestellt. Die beiden suchten Stützpunkte für den Sozialismus nicht in der moralischen Verwerflichkeit der bestehenden Gesellschaftsordnung noch im Ausklügeln möglichst einnehmender und verlockender Projekte, wie die soziale Gleichheit im heutigen Staate eingeschmuggelt werden könnte. Sie wandten sich an die Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse der heutigen Gesellschaft. Hier, in den Gesetzen der kapitalistischen Anarchie selbst, deckte Marx den wirklichen Ansatzpunkt für die

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[1] Siehe S. 186, Fußnote 2.