Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 544

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nicht bloß nicht zum Stillstand gekommen: sie ist in eine rasende Karriere verfallen. Wie dabei gerade die zunehmende Industrialisierung und der Welthandel Hand in Hand gehen, dies kann ein Blinder an den drei führenden Ländern: England, Deutschland und den Vereinigten Staaten, ablesen.

Kohle und Eisen sind die Seele der modernen Industrie. Nun stieg von 1885 bis 1910 die Kohlengewinnung:

in England von 162 auf 269 Millionen Tonnen
in Deutschland von 74 auf 222 Millionen Tonnen
in den Vereinigten Staaten von 101 auf 455 Millionen Tonnen

Die Roheisengewinnung stieg in derselben Zeit:

in England von 7,5 auf 10,2 Millionen Tonnen
in Deutschland von 3,7 auf 14,8 Millionen Tonnen
in den Vereinigten Staaten von 4,1 auf 27,7 Millionen Tonnen

Gleichzeitig stieg der jährliche Außenhandel (Einfuhr und Ausfuhr) von 1885 bis 1912:

in England von 13 auf 27,4 Milliarden Mark
in Deutschland von 6,2 auf 21,3 Milliarden Mark
in den Vereinigten Staaten von 5,5 auf 16,2 Milliarden Mark

Nimmt man aber den gesamten Außenhandel (Einfuhr und Ausfuhr) aller wichtigeren Länder der Erde in der jüngsten Zeit, so ist er. von 105 Milliarden Mark im Jahre 1904 auf 165 Milliarden Mark im Jahre 1912 gestiegen. Das bedeutet ein Wachstum um 57 Prozent binnen 8 Jahren! In der Tat ein so atemraubendes Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung, wie davon die ganze bisherige Weltgeschichte kein annäherndes Beispiel zu bieten hat! „Die Toten reiten schnelle.“[1] Die kapitalistische „Volkswirtschaft“ scheint Eile zu haben, die Grenzen ihrer Existenzfähigkeit zu erschöpfen, die Gnadenfrist ihrer Daseinsberechtigung abzukürzen. Was sagt aber zu alledem das Schema von „gewissen Lücken“ und von dem schwerfälligen Tanz zwischen Industriestaat und Agrarstaat?

Doch es gibt im modernen Wirtschaftsleben solcher Rätsel noch mehr.

Betrachten wir etwas aufmerksamer die Tabellen der deutschen Einfuhr und Ausfuhr, statt uns mit Gesamtsummen der ausgetauschten Warenwerte oder nur mit ihren großen allgemeinen Kategorien zu begnügen, lassen wir zur Probe die wichtigsten Warengattungen des deutschen Handels vor uns Revue passieren.

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[1] Gottfried August Bauger: Leonore. In: Biergers Werke in einem Band, Weimar 1962 S. 67.