Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 540

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Wie bezeichnend für die Roheit der geschichtlichen Auffassung eines Gelehrten, dessen Ruhm gerade auf angeblich scharfsinnigen und tiefen wirtschaftshistorischen Einblicken beruht! Den internationalen Handel verschiedenster, durch Jahrtausende getrennter Kultur- und Wirtschaftsstufen bringt er einem abgeschmackten Schema zuliebe ohne weiteres unter einen Hut. Freilich, es gibt und gab keine Gesellschaftsform ohne Austausch. Die ältesten vorgeschichtlichen Funde, die rohesten Höhlen, die der „vorsintflutlichen“ Menschheit als Wohnräume dienten, die primitivsten Gräber aus der Vorzeit, sie alle sind schon Zeugen eines gewissen Austausches der Produkte zwischen weit entfernten Gegenden. Der Austausch ist so alt wie die Kulturgeschichte der Menschheit, er ist seit jeher ihr ständiger Begleiter und ihr mächtigster Förderer gewesen. In dieser allgemeinen und in ihrer Allgemeinheit ganz vagen Erkenntnis ertränkt nun unser Gelehrter alle Besonderheiten der Epochen, der Kulturstufen, der Wirtschaftsformen. Wie in der Nacht alle Katzen grau sind, so sind im Dunkel dieser professoralen Theorie alle himmelweit verschiedenen Gestalten des Austausches ein und dasselbe. Der primitive Austausch einer Botokudenhorde in Brasilien, die hier und da gelegentlich ihre eigenartig geflochtenen Tanzmasken gegen kunstvoll verfertigte Bogen und Pfeile einer anderen Horde austauscht; die glänzenden Warenlager Babyions, wo die Pracht der orientalischen Hofhaltung aufgestapelt war; der antike Markt Korinths, wo am Neumond orientalische Linnen, griechische Tonwaren, Papier aus Tyrus, syrische und anatolische Sklaven für die reichen Sklavenhalter feilgeboten wurden; der mittelalterliche Seehandel Venedigs, der Luxusgegenstände für die europäischen Feudalhöfe und Patrizierhäuser lieferte – und der heutige. kapitalistische Welthandel, der Orient und Okzident, Nord und Süd, sämtliche Ozeane und Weltwinkel in sein Netz gespannt hat, der alles – vom täglichen Brot und Zündholz des Bettlers bis zum ausgesuchtesten Kunstgegenstand des reichen Liebhabers, vom einfachsten Bodenprodukt bis zum kompliziertesten Werkzeug, von den menschlichen Arbeitshänden, der Quelle allen Reichtums, bis zu den Mordwerkzeugen des Krieges – jahrein, jahraus in ungeheuren Massen hin und her wälzt, das alles ist unserem Professor der Nationalökonomie ein und dasselbe: bloßes „Ausfüllen“ „gewisser Lücken“ im selbständigen Wirtschaftsorganismus! ...[1]

Vor 50 Jahren erzählte Schulze von Delitzsch den deutschen Arbeitern, jedermann produziere heute zunächst für sich selbst die gewonnenen Produkte, aber „die er nicht für sich selbst gebrauche“, gebe er „im Austausch

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[1] Punkte in der Quelle.