Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 508

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Seite 573 bis 613, auf über 40 Druckseiten, müht sich Marx ab, diese epochemachende ökonomische Entdeckung klarzumachen. „Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“, unterstreicht er zusammenfassend.[1] Dann folgt noch ein Abschnitt „Illustrationen“, die weitere 65 Druckseiten füllen. Und was wird darin am Beispiele Englands als des typischen und des führenden Landes der kapitalistischen Produktion gezeigt? Daß, während der jährliche Zuwachs der Bevölkerung in England von 1811–1861 ständig abnahm, der Reichtum, d. h. die kapitalistische Akkumulation, ständig mit Riesenschritten wuchs! Dies ist es, was Marx mit zahllosen statistischen Belegen hier von verschiedensten Seiten beleuchtet.

Vielleicht wird Bauer hier dazwischenrufen: Aber jenes riesige Wachstum der englischen Industrie im 19. Jahrhundert war doch selbstredend nicht für die englische Bevölkerung allein berechnet und kann deshalb nicht mit ihr allein als der ökonomischen Basis verglichen werden. Siehe den englischen Absatz in der nordamerikanischen Union, in Süd- und Zentralamerika, siehe die periodischen Krisen in der englischen Industrie, die sich von 1825 bis 1867 nach jedesmaliger plötzlicher Markterweiterung in jenen Ländern ergaben. Vortrefflich! Aber wenn Bauer das weiß, dann weiß er alles, dann weiß er auch, daß seine Theorie der Anpassung der Akkumulation an das Wachstum der Arbeiterbevölkerung Humbug ist, dann weiß er, was Marx im ersten Bande des „Kapitals“ beweisen und illustrieren wollte: daß die Arbeiterbevölkerung umgekehrt in ihrer jedesmaligen Größe der Kapitalakkumulation und deren wechselnden „Verwertungsbedürfnissen“, d. h. Absatzmöglichkeiten, angepaßt wird.

Darin kulminiert ja gerade die Theorie des ersten Bandes des „Kapitals”. In diesem bahnbrechenden Gedanken faßt Marx den ganzen Geist seiner Theorie der kapitalistischen Ausbeutung, das Kardinalverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, das besondere „Bevölkerungsgesetz“ der kapitalistischen Periode zusammen!

Und da kommt Bauer und stülpt mit der ruhigsten Miene von der Welt diesen ganzen Bau auf den Kopf und eröffnet der Welt, daß die gesamte Bewegung des Kapitals aus der Tendenz herrühre, sich dem Wachstum der Arbeiterbevölkerung anzupassen! Inhaltlich ist die Bauersche Konstruktion, wie wir gesehen, eine Seifenblase. Korrigiert man Bauer, indem man mit Marx eine elastische gesellschaftliche Kapitalreserve und allzeitige unbeschränkte Expansionsfähigkeit des Kapitals annimmt, dann ist es um seine „Unterakkumulation“ geschehen. Korrigiert man ihn, in

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[1] Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 674.