Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 495

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Das die Quintessenz des Bauerschen „Mechanismus“, seiner verwickelten tabellarischen Rechenkunststücke und seiner Erläuterungen dazu.

Dem marxistisch einigermaßen geschulten Leser steigt wohl schon hier eine Ahnung auf, welche kopernikanische Leistung in bezug auf das Grundgesetz der kapitalistischen Wirtschaft in dieser Bauerschen Akkumulationstheorie vorliegt. Doch um diese Leistung in ihrem ganzen Glanze zu würdigen, müssen wir noch vorher kennenlernen, wie Bauer von seinem neuentdeckten Gravitationszentrum aus alle Teilerscheinungen der kapitalistischen Weltwirtschaft spielend zu erklären in der Lage ist.

Den Konjunkturwechsel, d. h. die Abweichung des Kapitals in der Zeit, kennen wir schon. Nun noch die im Raume:

„Die Tendenz zur Anpassung der Akkumulation an das Bevölkerungswachstum (will sagen: Wachstum der Arbeiterbevölkerung – R. L.) beherrscht die internationalen Beziehungen. Länder mit dauernder Überakkumulation legen einen großen, wachsenden Teil des in jedem Jahre akkumulierten Mehrwertes im Auslande an. Beispiel: Frankreich und England (na, hoffentlich auch Deutschland! – R. L.). Länder mit dauernder Unterakkumulation ziehen Kapital aus dem Ausland an sich und geben Arbeitskräfte an das Ausland ab. Beispiel: die agrarischen Länder Osteuropas.“ (l. c., S. 871.)

Wie das wunderbar klappt! Wie ist das kurz und klar! Man sieht förmlich die lächelnde Befriedigung, mit der Bauer die verwickeltsten Probleme mit seinem neugewonnenen Grundgesetz wie ein Kinderspiel auflöst. Versuchen wir, das Spiel mit einigen leichten Berührungen zu prüfen.

Es gibt also Länder „mit dauernder Überakkumulation“ und Länder „mit dauernder Unterakkumulation“. Was ist „Überakkumulation“, was „Unterakkumulation“? Antwort gleich auf der nächsten Seite: „Prosperität ist Überakkumulation ... Die ... Depression ist eine Zeit der Unterakkumulation.“ Demnach gibt es Länder mit dauernder Prosperität – das sind: Frankreich, England, Deutschland! – und Länder mit dauernder Depression – das sind: die agrarischen Länder Osteuropas! Wunderbar, nicht wahr?

Zweite Probe: Was ist die Ursache der Unterakkumulation? Antwort gleich auf der vorhergehenden Seite: „Der Fortschritt zu höherer organischer Zusammensetzung (einfach: technischer Fortschritt – R. L.) führt die Unterakkumulation immer wieder herbei.“ Die Länder mit ständiger Unterakkumulation müssen demnach Länder sein, in denen der technische Fortschritt am nachhaltigsten und energischsten wirkt – das sind: „die agrarischen Länder Osteuropas“. Diejenigen mit dauernder Überakkumu-

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