Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 390

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einmal als Ware produziert war, dient jetzt dazu, als Staatsgarantie den Eisenbahnbau und -betrieb zum Teil zu bezahlen, d. h. den Wert der darin verbrauchten Produktionsmittel sowie den beim Bau und Betrieb der Eisenbahn aus dem asiatischen Bauern und Proletarier ausgepreßten Mehrwert zu realisieren. Da ferner bei dem Eisenbahnbau in Deutschland hergestellte Produktionsmittel verwendet werden, dient das in Geld verwandelte asiatische Bauernkorn zugleich dazu, den bei der Herstellung jener Produktionsmittel aus deutschen Arbeitern ausgepreßten Mehrwert zu vergolden. Bei dieser Funktion wandert das Geld aus der Hand des türkischen Staates in die Kassen der Deutschen Bank, um hier als Gründergewinne, Tantiemen, Dividenden und Zinsen in den Taschen der Herren Gwinner, Siemens, ihrer Mitverwalter, der Aktionäre und Kunden der Deutschen Bank sowie des ganzen Schlingpflanzensystems ihrer Tochtergesellschaften als kapitalistischer Mehrwert akkumuliert zu werden. Fällt – wie es in den Konzessionen vorgesehen ist – der Steuerpächter weg, so reduziert sich die verwickelte Reihe der Metamorphosen auf ihre einfachste und klarste Form: Das bäuerliche Korn wandert direkt in die Hände der Administration de la Dette Publique Ottomane, d. h. der Vertretung des europäischen Kapitals, und wird hier schon in seiner Naturalgestalt Einnahme des deutschen und sonstigen auswärtigen Kapitals, es vollzieht die Akkumulation des europäischen Kapitals, selbst bevor es seine eigene bäuerlich-asiatische Gebrauchsgestalt abgestoßen hat, es realisiert den kapitalistischen Mehrwert, bevor es Ware geworden und den eigenen Wert realisiert hat. Der Stoffwechsel geht hier in seiner brutalen und unverblümten Form direkt zwischen dem europäischen Kapital und der asiatischen Bauernwirtschaft vor sich, während der türkische Staat auf seine wirkliche Rolle des politischen Apparats zur Auspressung der Bauernwirtschaft für die Zwecke des Kapitals – die eigentliche Funktion aller orientalischen Staaten in der Periode des kapitalistischen Imperialismus – reduziert wird. Das Geschäft, das äußerlich als eine abgeschmackte Tautologie: als Bezahlen deutscher Waren mit deutschem Kapital in Asien erscheint, bei dem die braven Deutschen den schlauen Türken nur den „Genuß“ der großen Kulturwerke überlassen, ist im Grunde genommen ein Austausch zwischen dem deutschen Kapital und der asiatischen Bauernwirtschaft, ein mit Zwangsmitteln des Staates durchgeführter Austausch. Die Resultate des Geschäfts sind: auf der einen Seite die fortschreitende Kapitalakkumulation und eine wachsende „Interessensphäre“ als Vorwand für die weitere politische und wirtschaftliche Expansion des deutschen Kapitals in der Türkei; auf der anderen Seite Eisenbahnen und

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