Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 378

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Fowlersche Unternehmen wurde speziell für den Bedarf des Vizekönigs auf Kosten Ägyptens plötzlich enorm erweitert.[1]

Eine dritte Art Maschinen, die Ägypten plötzlich in Massen benötigte, waren die Apparate zum Entkörnen und die Pressen zum Packen von Baumwolle. Diese Ginanlagen wurden zu Dutzenden in den Städten des Deltas eingerichtet. Sagasik, Tanta, Samanud und andere begannen zu rauchen wie englische Fabrikstädte. Große Vermögen rollten durch die Banken von Alexandrien und Kairo.

Der Zusammenbruch der Baumwollspekulation kam schon im nächsten Jahr, als nach dem Friedensschluß in der amerikanischen Union der Preis der Baumwolle in wenigen Tagen von 27 Pence das Pfund auf 15, 12 und schließlich auf 6 Pence fiel. – Im nächsten Jahre warf sich Ismail Pascha auf eine neue Spekulation: die Rohrzuckerproduktion. Es galt jetzt den Südstaaten der Union, die ihre Sklaven verloren hatten, mit der Fronarbeit des ägyptischen Fellahs Konkurrenz zu machen. Die ägyptische Landwirtschaft wurde zum zweitenmal auf den Kopf gestellt. Französische und englische Kapitalisten fanden ein neues Feld der raschesten Akkumulation. 1868 und 1869 wurden achtzehn riesige Zuckerfabriken bestellt mit einer Leistungsfähigkeit von je 200 000 Kilogramm Zucker täg-

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[1] „Es begann“, erzählt der Vertreter der Fowlerschen Firma, Ingenieur Eyth, „ein fieberhaftes Telegraphieren zwischen Kairo, London und Leeds. Wann kann Fowler 150 Dampfpflüge liefern? – Antwort: In einem Jahr. Anspannung aller Kräfte garantiert. – Das genügt nicht. 150 Dampfpflüge müssen bis zum Frühjahr in Alexandrien landen – Antwort: Unmöglich! – Die Fowlersche Fabrik in ihrer damaligen Größe konnte nämlich kaum 3 Dampfpflugapparate in der Woche stellen. Dabei ist zu beachten, daß ein Apparat dieser Art 50 000 M kostete, daß es sich also um eine Bestellung im Betrage von 7 1/2 Millionen handelte. – Nächstes Telegramm Ismail Paschas: Was die sofortige Vergrößerung der Fabrik koste? Der Vizekönig sei bereit, das Geld hierfür anweisen zu lassen. Sie können sich denken, daß man in Leeds das Eisen schmiedete, solange es heiß war. Aber auch andere Fabriken in England und in Frankreich wurden veranlaßt, Dampfpflüge zu liefern. Das Arsenal In Alexandrien, die Landungsstelle der vizeköniglichen Güter füllte sich haushoch mit Kesseln, Rädern, Trommeln, Drahtseilen, Kisten und Kasten aller Art und die Gasthöfe zweiten Ranges in Kairo mit frischgebackenen Dampfpflügern, die man aus Schlossern und Schmieden, aus Bauernburschen und hoffnungsvollen jungen Männern, die zu allem und nichts fähig waren, in aller Eile zugestutzt hatte. Denn auf jedem dieser Dampfpflüge mußte doch mindestens ein sachverständiger Pionier der Zivilisation sitzen. Alles das schickten die Effendis von Alexandrien in wirren Massen nach dem Innern, nur um Platz zu gewinnen, so daß wenigstens das ankommende nächste Schiff seine Ladung ausspeien konnte. Man macht sich keinen Begriff davon, wie all dies an seinem Bestimmungsort oder vielmehr an jedem andern als seinem Bestimmungsort ankam. Hier lagen zehn Kessel am Nilufer, 10 Meilen davon die dazu gehörigen Maschinen, hier ein kleines Gebirge von Drahtseilen, zwanzig Stunden weiter oben die Windetrommeln für die Seile. Hier saß ein englischer Monteur hungernd und verzweifelnd auf einem Berg französischer Kisten, dort ergab sich ein anderer hoffnungslos dem heimischen Trunk. Effendis und Katibs rannten – Allah um Hilfe anrufend – zwischen Siut und Alexandrien hin und her und fertigten endlose Listen von Dingen an, von deren Namen sie keine Ahnung hatten. Und doch kam schließlich auch ein Teil dieser Apparate in Bewegung. Der Dampfpflug rauchte in Oberägypten. Civilisation et progrès hatten abermals einen Schritt weiter getan.“ (Lebendige Kräfte. Sieben Vorträge aus dem Gebiete der Technik, Berlin 1908, S. 219.) – [Fußnote im Original]