Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 341

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Ausdehnung der vom europäischen Kapital in den Vertragshäfen besetzten Gebiete. Auf Grund der bekannten frechen Fälschung im chinesischen Text der französischen Zusatzkonvention vom Jahre 1860, den der katholische Missionar Abbé Delamarre als Dolmetscher ausgefertigt hatte, wurde der chinesischen Regierung in der Folge das Zugeständnis abgepreßt, den Missionen nicht bloß in den Vertragshäfen, sondern in allen Provinzen des Reiches Landerwerb zu gestatten. Die französische Diplomatie wie namentlich die protestantischen Missionen waren einig in der Verurteilung der raffinierten Schwindelei des katholischen Paters, was sie jedoch nicht hinderte, auf der Anwendung der so eingeschmuggelten Rechtserweiterung der französischen Missionen energisch zu bestehen und sie 1887 ausdrücklich auch auf die protestantischen Missionen ausdehnen zu lassen.[1]

Die Erschließung Chinas für den Warenhandel, die mit dem Opiumkriege begonnen war, wurde mit der Serie der „Pachtungen“[2] und der Chinaexpedition des Jahres 1900[3] besiegelt, in der die Handelsinteressen des europäischen Kapitals offen in internationalen Landraub umschlugen. Fein kehrt diesen Widerspruch zwischen der anfänglichen Theorie und der schließlichen Praxis der europäischen „Kulturträger“ in China die Depesche der Kaiserin-Witwe hervor, die nach der Einnahme der Takuforts an die Königin Victoria schrieb:

„Ew. Majestät einen Gruß! – In allen Verhandlungen Englands mit dem chinesischen Reiche, seit Beziehungen zwischen uns angeknüpft wurden, ist auf seiten Großbritanniens niemals die Rede von Vergrößerung des Landbesitzes gewesen, sondern nur von dem eifrigen Wunsch, die Interessen seines Handels zu fördern. Die Tatsache erwägend, daß unser Land nunmehr in einen entsetzlichen Kriegszustand gestürzt ist, erinnern wir uns daran, daß ein großer Teil von Chinas Handel, 70 oder 80 Prozent, mit England abgeschlossen wird. Außerdem sind Eure Seezölle die niedrigsten in der Welt und wenig Beschränkungen in Euren Seehäfen auf fremde Einfuhr gelegt. Aus diesen Gründen haben unsere freundlichen Beziehungen mit britischen Kaufleuten in unseren Vertragshäfen ununterbrochen während des letzten halben Jahrhunderts zu unserem wechsel-

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[1] Siehe O. Franke: Die Rechtsverhältnisse am Grundeigentum in China, Leipzig 1903, S. 82 ff. – [Fußnote im Original]

[2] Die „Pachtungen“ waren verschleierte Annexionen bzw. Einteilung von Einßußsphären. Deutschland begann 1898 mit der Pachtung von Kiautschou, es folgten Frankreich mit der Bucht von Kuantschouwan, Rußland mit Port Arthur und England mit Weihaiwei.

[3] 1899 war in Nordchina der antiimperialistische Volksaufstand der Ihotuan ausgebrochen, der 1900 durch die vereinigten Armeen von acht imperialistischen Staaten unter Führung des deutschen Generals Alfred Graf von Waldersee grausam niedergeworfen wurde. In einem Abschlußprotokoll von 1901 wurde China u. a. gezwungen, etwa 1,4 Milliarden Mark Kontributionen zu zahlen und der Errichtung von Stützpunkten für die Interventionsarmeen zuzustimmen.