Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 338

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magazins Schaden erlitt. Einige Wochen später lieferten die Engländer ein neues Heldenstück. Es galt, die Forts von Anunghoi und Nord-Wantong zu nehmen. Hierzu standen auf englischer Seite nicht weniger als 12 Linienschiffe in voller Ausrüstung zur Verfügung. Außerdem hatten die Chinesen wieder die Hauptsache vergessen, nämlich die Insel Süd-Wantong zu befestigen. Die Engländer landeten also dort in aller Seelenruhe eine Haubitzenbatterie und beschossen das Fort von einer Seite, während die Kriegsschiffe es von der anderen unter Feuer nahmen. Wenige Minuten genügten, um die Chinesen aus den Forts zu verjagen und die Landung ohne Widerstand.zu bewerkstelligen. Die unmenschliche Szene, welche nun folgte – so sagt ein englischer Bericht –, wird stets ein Gegenstand tiefen Bedauerns für die englischen Offiziere bleiben. Die Chinesen waren nämlich, als sie aus den Verschanzungen fliehen wollten, in die Gräben gefallen, so daß diese mit hilflosen, um Gnade flehenden Soldaten buchstäblich angefüllt waren. Auf diese liegende Masse menschlicher Leiber wurde nun von den Sepoys – angeblich entgegen dem Befehl der Offiziere – unablässig gefeuert. So wurde Kanton dem Warenhandel erschlossen.

Ebenso erging es den anderen Häfen. Am 4. Juli 1841 erschienen drei englische Kriegsschiffe mit 120 Kanonen bei den Inseln am Eingang zur Stadt Ningpo. Andere Kriegsschiffe trafen am folgenden Tage ein. Am Abend sandte der englische Admiral eine Botschaft an den chinesischen Gouverneur mit der Forderung, die Inseln zu übergeben. Der Gouverneur erklärte, daß es ihm zum Widerstande an Macht fehle, daß er jedoch ohne Befehle aus Peking die Übergabe nicht vornehmen dürfe und daher um Aufschub bäte. Dieser wurde ihm nicht gewährt, und um 21/2 Uhr morgens begannen die Engländer den Sturm auf die wehrlose Insel. In neun Minuten waren Fort und Häuser am Strand ein rauchender Schutthaufen. Die Truppen landeten an der verlassenen Küste, die mit zerbrochenen Spießen, Säbeln, Schilden, Flinten und einigen Toten bedeckt war, und zogen vor die Wälle der Inselstadt Ting-hai, um sie einzunehmen. Durch die Mannschaften der inzwischen eingetroffenen weiteren Schiffe verstärkt, legten sie am nächsten Morgen Sturmleitern gegen die kaum verteidigten Mauern und waren nach wenigen Minuten Herren der Stadt. Dieser glorreiche Sieg wurde von den Engländern mit folgender bescheidener Meldung verkündet: „Den Morgen des 5. Juli 1841 hatte das Geschick als denkwürdigen Tag bezeichnet, an dem zuerst die Fahne Ihrer Majestät von England über der schönsten Insel des himmlischen Reiches der Mitte wehen sollte, das erste europäische Banner, welches siegreich über diesen

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