Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 335

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durch die Kriege der Europäer ziehen, deren Zweck war, China gewaltsam dem Warenverkehr zu erschließen. Durch Missionare provozierte Christenverfolgungen, von Europäern angezettelte Tumulte, periodische blutige Kriegsgemetzel, in denen sich die völlige Hilflosigkeit eines friedlichen Ackerbauervolkes mit der modernsten kapitalistischen Kriegstechnik der vereinigten europäischen Großmächte messen sollte, schwere Kriegskontributionen, mit dem ganzen System von öffentlicher Schuld, europäischen Anleihen, europäischer Kontrolle der Finanzen und europäischer Besetzung der Festungen im Gefolge, erzwungene Eröffnung von Freihäfen und erpreßte Konzessionen zu Eisenbahnbauten an europäische Kapitalisten – das waren die Geburtshelfer des Warenhandels in China von Anfang der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts bis zum Ausbruch der chinesischen Revolution[1].

Die Periode der Erschließung Chinas für die europäische Kultur, d. h. für den Warenaustausch mit dem europäischen Kapital, wird durch den Opiumkrieg inauguriert, in dem China gezwungen wird, das Gift aus den indischen Plantagen abzunehmen, um es für die englischen Kapitalisten zu Geld zu machen. Im 17. Jahrhundert war die Kultur des Opiums durch die englische Ostindische Kompanie in Bengalen eingeführt und durch ihre Zweigniederlassung in Kanton der Gebrauch des Gifts in China verbreitet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fiel das Opium so stark im Preise, daß es rapid zum „Volksgenußmittel“ wurde. Noch im Jahre 1821 betrug die Einfuhr des Opiums nach China 4628 Kisten zum Preise von durchschnittlich 1325 Dollar, dann fiel der Preis auf die Hälfte, und 1825 stieg die chinesische Einfuhr auf 9621 Kisten, 1830 auf 26 670 Kisten.[2] Die verheerenden Wirkungen des Gifts, namentlich der billigsten, von der armen Bevölkerung gebrauchten Sorten, gestalteten sich zur öffentlichen Kalamität und riefen als Notwehr seitens Chinas ein Verbot der Einfuhr hervor. Bereits 1828 hatte der Vizekönig von Kanton den Import von Opium verboten, was aber den Handel nur in andere Hafenstädte lenkte.

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[1] Im Oktober 1911 hatte mit dem Aufstand in Wutschong die bürgerliche Revolution in China begonnen. Die Führer des Aufstandes beschlossen, die Republik auszurufen, und forderten alle Provinzen auf, sich dem Aufstand anzuschließen. Bis Ende November 1911 batten sich 15 Provinzen für unabhängig von der Mandschu-Regierung erklärt. Am 1. Januar 1912 wurde die Chinesische Republik proklamiert und Sun-Yat-sen zum Provisorischen Präsidenten gewählt.

[2] 1854 wurden 77 379 Kisten eingeführt. Später geht die Einfuhr angesichts der Ausbreitung der heimischen Produktion ein wenig zurück. Trotzdem bleibt China der Hauptabnehmer der indischen Plantagen. 1873/74 wurden in Indien 6,4 Millionen Kilogramm Opium produziert, davon 6,1 Millionen Kilogramm an die Chinesen abgesetzt. Jetzt noch werden von Indien jährlich 4,8 Millionen Kilogramm im Werte von 150 Millionen Mark fast ausschließlich nach China und dem Malaiischen Archipel ausgeführt. – Im Original mit *.