Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 240

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dies freilich aus umgekehrten Gründen. Wie groß auch die Konsumtionsbedürfnisse dieser Klasse sein mögen, sie kann doch nicht das ganze jährliche Mehrprodukt persönlich verzehren, erstens, weil ein Teil davon zur Erweiterung der Produktion, für technische Verbesserung aufgewendet werden muß, die jedem Einzelunternehmer durch den Konkurrenzkampf als Existenzbedingung aufgezwungen wird; zweitens, weil mit dem Wachstum der kapitalistischen Produktion auch jener Zweig wächst, der die Produktion von Produktionsmitteln besorgt, wie Bergbau, Maschinenindustrie usw., und dessen Produkt durch seine Gebrauchsgestalt von vornherein die persönliche Konsumtion ausschließt und die Funktion als Kapital bedingt; drittens endlich, weil die größere Produktivität der Arbeit und Kapitalersparnis, die bei der Massenproduktion billiger Waren erreicht werden kann, immer mehr die gesellschaftliche Produktion gerade auf solche Massenprodukte richtet, die nicht durch die Handvoll Kapitalisten verbraucht werden können.

Obwohl nun der Mehrwert des einen Kapitalisten im Mehrprodukt anderer Kapitalisten realisiert werden kann und umgekehrt, so bezieht sich das doch nur auf Produkte eines bestimmten Zweiges, nämlich der Lebensmittelbranche. Aber das Hauptmotiv der kapitalistischen Produktion ist nicht Befriedigung der persönlichen Konsumtionsbedürfnisse. Das äußert sich auch darin, daß die Produktion von Lebensmitteln im ganzen immer mehr zurücktritt gegen die Produktion von Produktionsmitteln. „Auf diese Weise sehen wir, daß, wie das Produkt jeder Fabrik die Bedürfnisse der darin beschäftigten Arbeiter und des Unternehmers nach diesem Produkt weitaus übertrifft, ebenso das Gesamtprodukt einer kapitalistischen Nation weitaus die Bedürfnisse der gesamten beschäftigten Industriebevölkerung übertrifft, und zwar übertrifft sie sie gerade deshalb, weil die Nation eine kapitalistische ist, weil ihre gesellschaftliche Kräfteverteilung nicht auf die Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung gerichtet ist, sondern bloß auf die Befriedigung zahlungsfähiger Bedürfnisse. Genauso wie ein Einzelfabrikant also auch nicht einen Tag existieren kann als Kapitalist, wenn sein Absatzmarkt nur durch die Bedürfnisse seiner Arbeiter und seine persönlichen Bedürfnisse beschränkt wäre, ebenso vermag sich auch eine entwickelte kapitalistische Nation nicht mit ihrem eigenen inneren Markt zu begnügen.“

So hat die kapitalistische Entwicklung die Tendenz, auf einer gewissen Höhe sich selbst Hindernisse zu bereiten. Diese Hindernisse kommen in letzter Linie daher, daß die fortschreitende Produktivität der Arbeit angesichts der Trennung der unmittelbaren Produzenten von den Produk-

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