Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 223

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Mehrwert versperrt hatte. So gehen Rodbertus alle Voraussetzungen für das Begreifen der kapitalistischen Akkumulation ab, und er bringt es fertig, darin sogar vor v. Kirchmann den kürzeren zu ziehen.

Summa: Rodbertus will unumschränkte Erweiterung der Produktion, aber ohne alles „Sparen“, d. h. ohne kapitalistische Akkumulation! Er will unumschränkte Steigerung der Produktivkräfte – aber eine feste Mehrwertrate durch Staatsgesetz) Mit einem Wort, er zeigt völlige Verständnislosigkeit für die eigentlichen Grundlagen der kapitalistischen Produktion, die er reformieren will, wie für die wichtigsten Ergebnisse der klassischen Nationalökonomie, gegen die er kritisch zu Felde zieht.

Deshalb sagt Professor Diehl natürlich, Rodbertus habe in der theoretischen Nationalökonomie durch seine „neue Einkommenstheorie“ und durch die Unterscheidung der logischen und historischen Kategorien des Kapitals (jenes bewußte „Kapital an sich“ im Gegensatz zum Einzelkapital) bahnbrechend gewirkt. Und deshalb nennt ihn natürlich Professor Adolph Wagner „den Ricardo des ökonomischen Sozialismus“, um so die eigene Unschuld in bezug auf Ricardo, Rodbertus wie den Sozialismus mit einem Schlage zu dokumentieren. Lexis aber findet gar, daß Rodbertus „seinem britischen Rivalen“ an Kraft des abstrakten Denkens mindestens gleichkäme; ihn aber in der „Virtuosität der Aufdeckung des tiefsten Zusammenhanges der Erscheinungen“, in der „Lebendigkeit der Phantasie“ und vor allem – in seinem „ethischen Standpunkt gegenüber dem Wirtschaftsleben“ weitaus überträfe. Das hingegen, was Rodbertus wirklich in der theoretischen Ökonomie außer seiner Kritik der Grundrente von Ricardo geleistet hat: seine stellenweise ganz klare Unterscheidung von Mehrwert und Profit, seine Behandlung des Mehrwerts als Ganzes im bewußten Unterschied von dessen Teilerscheinungen, seine teilweise vortreffliche Kritik des Smithschen Dogmas über die Wertzusammensetzung der Waren, seine scharfe Formulierung der Periodizität der Krisen und die Analyse ihrer Erscheinungsformen – wertvolle Ansätze, um die Analyse über Smith–Ricardo hinauszuführen, die freilich an der Konfusion in den Grundbegriffen scheitern mußte –, das alles sind den offiziellen Bewunderern Rodbertus’ meistens böhmische Dörfer. Franz Mehring hat schon auf das merkwürdige Los Rodbertus’ hingewiesen, für seine angeblichen nationalökonomischen Großtaten in den Himmel gehoben, wegen seiner wirklichen politischen Verdienste hingegen von denselben Leuten „wie ein dummer Junge“ behandelt zu werden.[1] In unserem Fall handelt es sich

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[1] Siehe Franz Mehring: Zur neueren Rodbertus-Literatur. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 12. Jg. 1893/94, Zweiter Band, S. 528.