Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 22

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steckt vorerst noch in Gestalt einer neuen zuschüssigen Warenmasse irgendeiner Gattung. In dieser Gestalt ist das neue Kapital nur noch erst vorgeschossen und der von ihm erzeugte Mehrwert erst in seiner für den Kapitalisten unbrauchbaren Form. Damit das neue Kapital seinen Lebenszweck erfüllt, muß es seine Warengestalt abstreif en und mitsamt dem von ihm erzeugten Mehrwert in reiner Wertform, als Geld, in die Hand des Kapitalisten zurückkehren. Gelingt das nicht, dann sind neues Kapital und Mehrwert ganz oder teilweise verloren, die Kapitalisierung des Mehrwerts ist fehlgeschlagen, die Akkumulation hat nicht stattgefunden. Damit die Akkumulation tatsächlich vollzogen wird, ist also unbedingt erforderlich, daß die von dem neuen Kapital erzeugte zuschüssige Warenmenge auf dem Markt einen Platz für sich erobert, um realisiert werden zu können.

So sehen wir, daß die erweiterte Reproduktion unter kapitalistischen Bedingungen, d. h. als Kapitalakkumulation, an eine ganze Reihe eigentümlicher Bedingungen geknüpft ist. Fassen wir sie genau ins Auge. Erste Bedingung: Die Produktion muß Mehrwert erzeugen, denn der Mehrwert ist die elementare Form, unter der der Produktionszuwachs kapitalistisch allein möglich ist. Diese Bedingung muß im Produktionsprozeß selbst, im Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter, in der Warenproduktion eingehalten werden. Zweite Bedingung: Damit der Mehrwert, der zur Erweiterung der Reproduktion bestimmt ist, angeeignet wird, muß er, nachdem die erste Bedingung eingehalten, erst realisiert, in Geldform gebracht werden. Diese Bedingung führt uns auf den Warenmarkt, wo die Chancen des Austausches über die weiteren Schicksale des Mehrwerts, also auch der künftigen Reproduktion, entscheiden. Dritte Bedingung: Vorausgesetzt, daß die Realisierung des Mehrwerts gelungen und ein Teil des realisierten Mehrwerts zum Kapital zwecks Akkumulation geschlagen worden ist, muß das neue Kapital erst die produktive Gestalt, d. h. die Gestalt von toten Produktionsmitteln und Arbeitskräften annehmen, ferner muß der gegen Arbeitskräfte ausgetauschte Kapitalteil die Gestalt von Lebensmitteln für die Arbeiter annehmen. Diese Bedingung führt uns wieder auf den Warenmarkt und auf den Arbeitsmarkt. Ist hier das Nötige gefunden, hat erweiterte Reproduktion der Waren stattgefunden, dann tritt die vierte Bedingung hinzu: Die zuschüssige Warenmenge, die das neue Kapital samt neuem Mehrwert darstellt, muß realisiert, in Geld umgewandelt werden. Erst wenn dies gelungen, hat die erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne stattgefunden. Diese letzte Bedingung führt uns wieder auf den Warenmarkt.

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