Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 207

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abhelfen könnte. Er beeilt sich freilich, auch hier gleich zur Beruhigung der Gemüter hinzuzufügen, daß er es dahingestellt sein lasse, ob ein solcher Zustand möglich sei, „aber jedenfalls wäre in ihm die einzige Möglichkeit gegeben, diese Art von Absatzstockungen zu verhindern“. Er unterstreicht also hier, daß er die Anarchie der heutigen Produktionsweise nur für eine bestimmte partielle Erscheinungsform der Krisen verantwortlich macht.

Rodbertus verwirft mit Hohn den Say–Ricardoschen Satz von dem natürlichen Gleichgewicht zwischen Konsumtion und Produktion und legt ganz wie Sismondi den Nachdruck auf die Kaufkraft der Gesellschaft, die er wieder wie Sismondi von der Einkommensverteilung abhängig macht. Trotzdem akzeptiert er die Sismondische Krisentheorie, namentlich in ihren Schlußfolgerungen, durchaus nicht und stellt sich zu ihr in scharfen Gegensatz. Wenn Sismondi nämlich in der schrankenlosen Ausdehnung der Produktion ohne Rücksicht auf die Einkommensschranken die Quelle des Übels sah und dementsprechend die Eindämmung der Produktion predigte, tritt Rodbertus umgekehrt für die kräftigste und schrankenlose Ausdehnung der Produktion, des Reichtums, der Produktivkräfte ein. Die Gesellschaft, meint er, bedürfe einer ungehinderten Zunahme ihres Reichtums. Wer den Reichtum der Gesellschaft verwerfe, verwerfe mit ihrer Macht ihren Fortschritt, mit diesem ihre Tugend, wer seiner Zunahme Hindernisse in den Weg werfe, werfe sie ihrem Fortschritte überhaupt in den Weg. Jede Zunahme des Wissens, Wollens und Könnens in der Gesellschaft sei an eine Zunahme des Reichtums gebunden.[1] Von diesem Standpunkt aus war Rodbertus ein warmer Befürworter des Systems der Notenbanken, die er als unumgängliche Grundlage zur raschen und unbeschränkten Expansion der Gründertätigkeit betrachtete. Sowohl sein Aufsatz über die Hypothekennot aus dem Jahre 1858 wie schon die 1845 erschienene Abhandlung über die preußische Geldkrisis[2] sind dieser Beweisführung gewidmet. Er wendet sich aber auch direkt polemisierend gegen die Mahnungen im Geiste Sismondis, wobei er auch hier die Sache zunächst in seiner ethisch-utopischen Weise anfaßt. „Die Unternehmer“, deklamiert er, „sind im wesentlichen nichts als volkswirtschaftliche Beamte, welche, wenn sie die nationalen Produktionsmittel, die ihnen. die Institution des Eigentums unauflöslich anvertraut hat, mit der Anspannung aller Kräfte arbeiten lassen, nur ihre Schuldigkeit tun. Denn das

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[1] Siehe l. c., Bd. III, S. 182. – [Fußnote im Original]

[2] 1844/45 war es in Preußen zu einer Geldverknappung gekommen, die durch Eisenbahnbauspekulationen seit 1842 ausgelöst worden war. Der preußische Staat garantierte seit diesem Zeitpunkt bel der Zeichnung von Eisenbahnbauaktien einen gesetzlichen Zins von 3 1/2 Prozent.