Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 197

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Wirtschaft. Zu seiner Zeit war auf die Sturm- und Drang-Periode der klassischen Ökonomie bereits jenes skrupellose Apologetentum zur Herrschaft gelangt, das in dem fabelhaften Vulgarus und Abgott aller Philister, dem Herrn Frédéric Bastiat mit seinen „Harmonien“, den gelungensten Ausdruck fand, und bald sollten auch verschiedene Schulzes als der kümmerlich-spießerliche deutsche Abklatsch des französischen Harmoniepropheten grassieren. Gegen diese skrupellosen „Freihandelshausierburschen“ richtete sich die Kritik Rodbertus’. „Fünf Sechsteile der Nation“, ruft er in seinem „Ersten socialen Brief an von Kirchmann“ (1850), „werden bisher durch die Geringfügigkeit ihres Einkommens nicht bloß von den meisten Wohltaten der Zivilisation ausgeschlossen, sondern unterliegen dann und wann den furchtbarsten Ausbrüchen wirklichen Elends und sind immerdar dessen drohender Gefahr ausgesetzt. Dennoch sind sie die Schöpfer alles gesellschaftlichen Reichtums. Ihre Arbeit beginnt mit aufgehender, endigt mit niedergehender Sonne, erstreckt sich bis in die Nacht hinein, aber keine Anstrengung vermag dies Los zu ändern. Ohne ihr Einkommen erhöhen zu können, verlieren sie nur noch die letzte Zeit, die ihnen für Bildung ihres Geistes hätte übrigbleiben sollen. Wir wollen annehmen, daß der Fortschritt der Zivilisation soviel Leiden zu seinem Fußgestell bisher bedurfte. Da leuchtet plötzlich die Möglichkeit einer Änderung dieser traurigen Notwendigkeit aus einer Reihe der wunderbarsten Erfindungen – Erfindungen, welche die menschliche Arbeitskraft mehr als verhundertfachen. Der Nationalreichtum – das Nationalvermögen im Verhältnis zur Bevölkerung – wächst infolgedessen in steigender Progression. Ich frage: Kann es eine natürlichere Folgerung, eine gerechtere Forderung geben, als daß auch die Schöpfer dieses alten und neuen Reichtums von dieser Zunahme irgendwie Vorteil haben? – als daß sich entweder ihr Einkommen mit erhöht oder die Zeit ihrer Arbeit ermäßigt oder immer mehrere Mitglieder von ihnen in die Reihen jener Glücklichen übergehen, die vorzugsweise die Früchte der Arbeit zu brechen berechtigt sind? Aber die Staatswirtschaft oder besser die Volkswirtschaft hat nur das Gegenteil von dem allen zustande zu bringen vermocht. Während der Nationalreichtum wächst, wächst auch die Verarmung jener Klassen, müssen Spezialgesetze sogar der Verlängerung der Arbeitszeit in den Weg treten und nimmt endlich die Zahl der arbeitenden Klassen in größerem Verhältnis zu als die der anderen. Aber nicht genugl Die hundertfach erhöhte Ar-

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