Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 185

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Und wenn beide, Malthus wie Sismondi, für das Heil der kapitalistischen Akkumulation und ihre Rettung aus der Klemme nach einer Kategorie von Konsumenten suchen, die kaufen ohne zu verkaufen, so sucht sie Sismondi zu dem Zwecke, um den Überschuß des gesellschaftlichen Produkts über die Konsumtion der Arbeiter und der Kapitalisten, also den kapitalisierten Teil des Mehrwerts, abzusetzen, Malthus – um den Profit überhaupt zu schaffen. Wie übrigens die Rentenempfänger und die Pfründner des Staates, die ja selbst erst ihre Kaufmittel hauptsächlich aus der Hand der Kapitalisten kriegen müssen, diesen letzteren durch das Abkaufen von Waren mit einem Preisaufschlag zur Aneignung des Profits verhelfen können, bleibt natürlich ein Geheimnis von Malthus. Bei so weitgehenden Gegensätzen ist die Waffengemeinschaft zwischen Malthus und Sismondi ziemlich oberflächlicher Natur gewesen. Und wenn Malthus die Sismondischen „Nouveaux principes“, wie Marx sagt, zum malthusianischen Zerrbild gemacht hat, so macht Sismondi die Kritiken von Malthus gegen Ricardo etwas stark sismondisch, indem er nur das Gemeinsame hervorhebt und ihn als Kronzeugen zitiert. Andererseits unterliegt er freilich gelegentlich dem Malthusschen Einfluß, so, wenn er zum Teil dessen Theorie der staatlichen Verschwendung als eines Notbehelfs der Akkumulation übernimmt, die seinem eigenen Ausgangspunkt direkt zuwiderläuft.

Im ganzen hat Malthus weder zum Problem der Reproduktion etwas Eigenes beigetragen noch es begriffen, er dreht sich in seiner Kontroverse mit den Ricardianern wie diese in ihrer Kontroverse mit Sismondi hauptsächlich in den Begriffen der einfachen Warenzirkulation. Im Streit zwischen ihm und der Schule Ricardos handelte es sich um die unproduktive Konsumtion der Parasiten des Mehrwerts, es war ein Zank um die Verteilung des Mehrwerts, nicht ein Streit um die gesellschaftlichen Grundlagen der kapitalistischen Reproduktion. Die Malthussche Konstruktion fällt zu Boden, sobald man ihn auf seine absurden Schnitzer in der Theorie des Profits festgenagelt hat. Die Sismondische Kritik behauptet sich, und sein Problem bleibt ungelöst auch bei der Annahme der Ricardoschen Werttheorie mit allen ihren Konsequenzen.

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