Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 100

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Prüfen wir jetzt die Proportionen des Schemas nach, so erhalten wir folgendes: Warenproduktion, also auch Austausch, existiert hier nicht, wohl aber gesellschaftliche Arbeitsteilung. Die Produkte von I werden in erforderlichem Quantum den Arbeitenden in II zugewiesen, die Produkte von II werden allen Arbeitenden und Nichtarbeitenden (in beiden Abteilungen) sowie dem Assekuranzfonds zugewiesen – nicht weil hier Äquivalentaustausch vorgeht, sondern weil die gesellschaftliche Organisation planmäßig den Gesamtprozeß leitet, weil die bestehenden Bedürfnisse gedeckt werden müssen, weil die Produktion eben keinen anderen Zweck als die Deckung der gesellschaftlichen Bedürfnisse kennt.

Trotzdem behalten die Größenproportionen volle Gültigkeit. Das Produkt in I muß I c + II c gleichen; das bedeutet einfach, daß in der I. Abteilung alle von der Gesellschaft in ihrem jährlichen Arbeitsprozeß vernutzten Produktionsmittel jährlich erneuert werden müssen. Das Produkt II muß der Summe (v + m) I + (v + m) II gleichen; das bedeutet, daß an Lebensmitteln von der Gesellschaft jedes Jahr soviel hergestellt werden, wie es den Bedürfnissen aller ihrer arbeitenden und nichtarbeitenden Mitglieder entspricht, nebst Rücklagen für Versicherungsfonds. Die Proportionen des Schemas erscheinen ebenso natürlich und notwendig in einer planmäßig geregelten wie in der kapitalistischen, auf Warenaustausch und Anarchie gegründeten Wirtschaftsweise. Damit ist die objektive gesellschaftliche Gültigkeit des Schemas erwiesen – ob es gleichwohl gerade als einfache Reproduktion sowohl in der kapitalistischen wie in der geregelten Gesellschaft nur theoretisch gedacht, in der Praxis nur ausnahmsweise vorkommen kann.

Versuchen wir jetzt in derselben Weise das Schema der erweiterten Reproduktion nachzuprüfen.

Stellen wir uns eine sozialistische Gesellschaft vor, und legen wir der Nachprüfung das Schema des zweiten Marxschen Beispiels zugrunde. Vom Standpunkt der geregelten Gesellschaft muß die Sache natürlich nicht von der Abteilung I, sondern von der Abteilung II angefaßt werden. Denken wir uns, daß die Gesellschaft rapid wächst, woraus sich ein wachsender Bedarf nach Lebensmitteln für Arbeitende und Nichtarbeitende ergibt. Dieser Bedarf steigt so rasch, daß – die Fortschritte der Produktivität der Arbeit vorläufig beiseite gelassen – eine stets wachsende Menge Arbeit zur Herstellung von Lebensmitteln notwendig wird. Die erforderliche Menge Lebensmittel, ausgedrückt in der in ihnen steckenden gesellschaftlichen Arbeit, steige von Jahr zu Jahr, sagen wir, im Verhältnis 2000 – 2215 – 2399 – 2600 usw. Um diese wachsende Menge Lebensmittel her-

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