Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 534

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weitverzweigten Zusammenhang der Produktion bemerken. Zwar ist es etwas hochtrabend, von „Aufgaben“ zu sprechen, die jeder dieser Betriebe „für alle anderen übernimmt“, dieweil es sich um den ordinärsten Verkauf von Hosenknöpfen an Schneider, von Schafwolle an die Spinnereien und dergleichen handelt. Aber solche Blüten müssen wir nun einmal als unvermeidliches Professoralkauderwelsch hinnehmen, das die profitlichen Geschäftchen der Unternehmerwelt mit etwas Poesie und „sittlichen Werturteilen“ zu umwinden liebt, wie Professor Schmoller so schön sagt. Allein hier steigen uns noch ärger Zweifel auf. Die einzelnen Fabriken, landwirtschaftlichen Betriebe, Kohlengruben, Eisenwerke sollen ebenso viele „Einzelwirtschaften“ sein, in welche die Volkswirtschaft „zerfällt“. Aber zum Begriff einer „Wirtschaft“, wenigstens so wie wir uns die Volkswirtschaft vorgestellt haben, muß offenbar in einem gewissen Umkreis sowohl die Herstellung von Lebensmitteln wie ihr Verbrauch, sowohl Produktion wie Konsumtion gehören. In den Fabriken, Werkstätten, Gruben und Werken wird jedoch lediglich produziert, und zwar für andere produziert. Verbraucht werden hier nur die Stoffe, woraus, und die Werkzeuge, womit gearbeitet wird. Das fertige Produkt hingegen geht im Betriebe gar nicht in den Verbrauch ein. Nicht ein Hosenknopf wird von dem Fabrikanten und seiner Familie, geschweige von den Fabrikarbeitern, nicht ein Eisenrohr von dem Eigentümer der Eisenwerke in der Familie verbraucht. Ferner:. Wie wir auch näher die „Wirtschaft“ bestimmen wollen, immerhin müssen wir darunter etwas Ganzes, für sich einigermaßen Geschlossenes verstehen, eine annähernde Herstellung und Verbrauch der wichtigsten Lebensmittel, die zur Existenz des Menschen gehören. Die einzelnen heutigen Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe liefern aber, wie jedes Kind weiß, nur je ein einzelnes, höchstens ein paar Produkte, die zum menschlichen Unterhalt nicht entfernt ausreichen würden, ja, [von denen] die meisten noch gar nicht konsumierbar, erst ein Teil eines Lebensmittels oder ein Stoff dazu oder ein Werkzeug sind. Die heutigen Produktionsbetriebe sind eben lauter Bruchstücke einer Wirtschaft, die für sich allein vom wirtschaftlichen Standpunkt gar keinen Sinn und Zweck haben, die gerade dadurch schon dem ungeschulten Blick auffallen, daß sie jedes für sich gar keine „Wirtschaft“, sondern nur ein formloses Splitterchen von einer Wirtschaft darstellen. Sagt man also, die Volkswirtschaft, das heißt die Gesamtheit der Einrichtungen und Vorgänge, die zur Befriedigung der Bedürfnisse eines Volkes dienen, zerfalle wieder in Einzelwirtschaften, als da sind: Fabriken, Werkstätten, Gruben etc., so könnte man ebensogut sagen, die Gesamtheit der biologischen Ein-

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