Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 295

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Mehrwert im voraus ausschließlich in der Sachgestalt produzieren, die seine Verwendung zur weiteren Akkumulation sowohl ermöglicht als bedingt. Die Realisierung des Mehrwerts und seine Akkumulation sind hier nur zwei Seiten eines und desselben Vorgangs, sind begrifflich identisch. Für den Prozeß der Reproduktion, wie er im Schema dargestellt ist, ist die Konsumtionskraft der Gesellschaft deshalb auch keine Schranke der Produktion. Hier schreitet die Erweiterung der Produktion von Jahr zu Jahr automatisch fort, ohne daß die Konsumtionskraft der Gesellschaft über ihre „antagonistischen Distributionsverhältnisse“ hinausgegangen wäre. Dieses automatische Fortschreiten der Erweiterung, der Akkumulation, ist freilich „Gesetz für die kapitalistische Produktion – bei Strafe des Untergangs“. Aber nach der Analyse im dritten Bande „muß der Markt daher beständig ausgedehnt werden“, „der Markt“ offenbar über die Konsumtion der Kapitalisten und der Arbeiter hinaus. Und wenn Tugan-Baranowski den unmittelbar darauffolgenden Satz bei Marx: „Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äußern Feldes der Produktion“ so interpretiert, als ob Marx mit dem „äußern Feld der Produktion“ eben die Produktion selbst gemeint habe, so tut er damit nicht bloß dem Sinn der Sprache, sondern auch dem klaren Gedankengang Marxens Gewalt an. Das „äußere Feld der Produktion“ ist hier klar und unzweideutig nicht die Produktion selbst, sondern die Konsumtion, die „beständig ausgedehnt werden muß“. Daß Marx so und nicht anders dachte, dafür zeugt genügend z. B. die folgende Stelle in den „Theorien über den Mehrwert“: „Ric[ardo] leugnet daher konsequent die Notwendigkeit einer Erweiterung des Markts mit Erweiterung der Produktion und Wachstum des Kapitals. Alles Kapital, das in einem Lande vorhanden ist, kann auch vorteilhaft in diesem Lande verwandt werden. Er polemisiert daher gegen A. Smith, der einerseits seine (Ric[ardos]) Ansicht aufgstellt und mit seinem gewöhnlichen vernünftigen Instinkt ihr auch widersprochen hat.“[1]

Und noch eine andere Stelle bei Marx zeigt deutlich, daß ihm der Tugan-Baranowskische Einfall einer Produktion um der Produktion willen völlig fremd war: „Außerdem findet, wie wir gesehn haben (Buch II, Abschn. III), eine beständige Zirkulation statt zwischen konstantem Kapital und konstantem Kapital (auch abgesehn von der beschleunigten Akkumulation), die insofern zunächst unabhängig ist von der individuellen Konsumtion, als sie nie in dieselbe eingeht, die aber doch durch sie defini-

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[1] Theorien, Bd. II, Teil 2, S. 305. [Karl Marx: Theorien über den Mehrwert, Zweiter Teil. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 26.2, S. 525.] – [Fußnote im Original]