Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 272

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Großindustrie ins Auge fasse: „Es ist richtig“, sagt Kautsky, „daß die Zahl der Produktionsstätten, in denen die Produkte direkt für den persönlichen Konsum fertiggemacht werden, mit fortschreitender Arbeitsteilung verhältnismäßig immer mehr sinkt gegenüber den anderen Produktionsstätten, die jenen und einander Werkzeuge, Maschinen, Rohmaterialien, Transportmittel usw. liefern. Während in der ursprünglichen Bauernwirtschaft der Flachs von dem Betrieb, der ihn gewann, auch mit eigenen Werkzeugen verarbeitet und für den menschlichen Verbrauch fertiggemacht wurde, sind jetzt vielleicht Hunderte von Betrieben an der Herstellung eines Hemds beteiligt, an der Herstellung der Rohbaumwolle, der Produktion der Eisenschienen, Lokomotiven und Waggons, die sie nach dem Hafen bringen“ usw. „Bei der internationalen Arbeitsteilung kommt es dahin, daß einzelne Länder – die alten Industrieländer – ihre Produktion zum persönlichen Konsum nur noch langsam ausdehnen können, während die Produktion von Produktionsmitteln bei ihnen noch rasche Fortschritte macht und für den Pulsgang ihres ökonomischen Lebens viel bestimmender wird als die der Produktion von Konsumtionsmitteln. Wer die Sache nur vom Standpunkt der betreffenden Nation ansieht, kommt dann leicht zur Ansicht, die Produktion von Produktionsmitteln könne dauernd rascher wachsen als die von Konsumtionsmitteln, sie sei an diese nicht gebunden.“

Letzteres, d. h. die Ansicht, als sei die Produktion von Produktionsmitteln von der Konsumtion unabhängig, ist natürlich eine vulgärökonomische Luftspiegelung Tugan-Baranowskis. Nicht so die Tatsache, mit der er diesen Trugschluß begründen will: das raschere Wachstum der Abteilung der Produktionsmittel im Vergleich zu derjenigen der Konsumtionsmittel. Diese Tatsache läßt sich gar nicht bestreiten, und zwar nicht bloß für alte Industrieländer, sondern überall, wo technischer Fortschritt die Produktion beherrscht. Auf ihr beruht auch das Marxsche Fundamentalgesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Aber trotzdem oder gerade deshalb ist es ein großer Irrtum, wenn Bulgakow, Iljin und Tugan-Baranowski wähnen, in diesem Gesetz das spezifische Wesen der kapitalistischen Wirtschaft als einer, für die Produktion Selbstzweck, menschliche Konsumtion bloß Nebensache sei, entschleiert zu haben.

Das Wachstum des konstanten Kapitals auf Kosten des variablen ist nur der kapitalistische Ausdruck der allgemeinen Wirkungen der steigenden Produktivität der Arbeit. Die Formel c > v, aus der kapitalistischen Sprache in die Sprache des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses übertragen, heißt nur soviel: je höher die Produktivität der menschlichen Arbeit, um

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