Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 116

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kommt die Nachfrage für das zuschüssige Produkt her, das aus dem kapitalisierten Mehrwert entspringt? Es ist nicht eine technische Frage der Geldzirkulation, sondern eine ökonomische Frage der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Denn sogar, wenn wir von der Frage absehen, mit der sich Marx bis jetzt allein befaßt hat: Wo hatten die B, B' usw. (I) Geld her, um zuschüssige Produktionsmittel von den A, A' usw. (I) zu kaufen?, so ersteht nach der vollzogenen Akkumulation die viel wichtigere Frage: An wen wollen denn die B, B' usw. (I) ihr gewachsenes Mehrprodukt jetzt verkaufen? Marx läßt sie schließlich ihre Produkte aneinander verkaufen!

„Es können die verschiednen B, B', B'' etc. (I), deren virtuelles neues Geldkapital als aktives in Operation tritt, wechselseitig ihre Produkte (Teile ihres Mehrprodukts) voneinander zu kaufen und aneinander zu verkaufen haben. Pro tanto fließt das der Zirkulation des Mehrprodukts vorgeschoßne Geld – bei normalem Verlauf – an die verschiednen B's zurück, in derselben Proportion, worin sie solches zur Zirkulation ihrer respektiven Waren vorgeschossen haben.“[1]

„Pro tanto“ ist das keine Lösung der Frage, denn schließlich haben die B, B', B'' usw. (I) wohl nicht deshalb auf einen Teil der Konsumtion verzichtet und ihre Produktion erweitert, um nachher ihr vermehrtes Produkt – nämlich Produktionsmittel – einander abzukaufen. Übrigens ist dies auch nur in sehr beschränktem Maße möglich. Nach der Marxschen Annahme besteht nämlich eine gewisse Arbeitsteilung innerhalb I, wobei die A, A', A'' usw. (I) Produktionsmittel von Produktionsmitteln herstellen, die B, B', B'' usw. (I) hingegen Produktionsmittel von Konsumtionsmitteln herstellen. Wenn also das Produkt der A, A' usw. innerhalb der Abteilung I verbleiben konnte, so ist das Produkt der B, B', B'' usw. von vornherein seiner Naturalgestalt wegen für die Abteilung II (Herstellung von Lebensmitteln) bestimmt. Die Akkumulation bei den B, B' usw. führt uns also bereits zur Zirkulation zwischen I und II. Damit bestätigt der Gang der Marxschen Analyse selbst, daß, wenn innerhalb der Abteilung I Akkumulation stattfinden soll, schließlich – direkt oder indirekt – eine vergrößerte Nachfrage nach Produktionsmitteln in der Abteilung der Lebensmittel vorhanden sein muß. Hier also, bei den Kapitalisten II, haben wir die Abnehmer für das zuschüssige Produkt der Abteilung I zu suchen.

In der Tat richtet sich der zweite Versuch von Marx, das Problem zu lösen, auf die Nachfrage der Kapitalisten II. Ihre Nachfrage nach zuschüs-

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[1] Das Kapital, Bd. II, S. 477. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 496.] – [Fußnote im Original]