Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 477

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-1/seite/477

Die Warenwirtschaft oder ihre andere Seite, die Geldwirtschaft, also die Verdrängung der Naturalwirtschaft, ist entstanden innerhalb der Stadt.

So sind sämtliche Grundlagen der modernen Entwicklung innerhalb der Stadt entstanden.

Im Mittelalter sind die Städte einzelne Punkte, … jede Stadt aber führt ihr Leben für sich, sowohl ökonomisch wie politisch.

Diese Wellen schlagen zurück auf das flache Land, und der Feudalismus wird überall geschlagen.

Wie international die städtische Entwicklung verlaufen ist, wie in England, Italien, Frankreich überall die gleichen Grundlinien sind, dafür ein Beispiel aus Frankreich.

Amiens in Nordfrankreich. (Im Putzger auf Seite 12, heißt dort Samarobriva. Der heutige Name kommt von . . .

haben sich diese … zur Abwehr gegen die Römer gebildet. Cäsar hat ihr Heer mit 10000 Mann geschlagen. Er setzte darauf seine Garnison dort ein.

Die Stadt wurde unter römische städtische Beamte gestellt, und sie kriegte erstens einen Magistrat mit Verwaltung und Gerichtsbarkeit, eine Kurie mit Polizei und Lokalverwaltung und gleichfalls mit Gerichtsbarkeit, alles in größter Abhängigkeit von der römischen Zentrale gewählt. Das war also die typische römische Stadtverfassung.

Im 4. Jh. wurde [Amiens] eine ansehnliche Stadt, ein Knotenpunkt des Handels und einer großen Straße.

Bischof eingesetzt, der das Christentum lehren sollte. Er wurde getötet und auf diese Weise zum Heiligen befördert.

406 wurde die Stadt von Germanen zerstört, von Sueven, Vandalen und Burgundern. Auf diesem Feldzug der Germanen wurden Speyer, Straßburg, Worms auch zerstört, alles römische Städte.

428 kamen die Franken, wurden jedoch zuerst zurückgeschlagen. 436 drangen sie unter Clodio siegreich ein und zerstörten alle Städte auf ihrem Wege.[1] Dann wurde auch die römische Munizipalverfassung ganz verändert, und an die Spitze der Verwaltung wurde der karolingische Graf gestellt. Daneben stand, wie gesagt wird, die Volksversammlung der Vollfreien, die durch den Grafen berufen wurde, und in der er den Vorsitz führte. Unter der Volksversammlung ist die Markgenossenschaft zu verstehen, also Zurückbildung der römischen Stadt zur Mark.

Vom 7.–10. Jh. verschwinden in Amiens alle Spuren einer städtischen Verfassung. Die fränkischen Könige fingen an, die Bischöfe zu ernennen und in die Stadt zu setzen. Im Jahre 779 verlieh Karl d. Gr. der Abtei Amiens freies Handelsrecht von allen Abgaben. Er führte auch zum ersten Male das Institut der Schöffen ein, d. h. der vom Volk gewählten Richter, die unter dem Vorsitz des Grafen das Gericht ausübten.

Nächste Seite »



[1] Siehe F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas, Leipzig 1877, S. 12.