Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 436

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Mittelalter: Feudalismus. Entwicklung der Städte.

Der Ausgangspunkt des Mittelalters ist die Markgenossenschaft.[1]

Auch die griechische Geschichte begann mit der Mark und endete mit der Sklaverei. Dann ergossen sich die barbarischen Germanen über das Römische Reich, und da begann ein neuer Ausgangspunkt.

Der entscheidende Unterschied ist der, daß in der Antike sich die Entwicklung in eine Sackgasse festgerannt hatte, während sie im Mittelalter Grundlage und Ausgangspunkt der kapitalistischen Entwicklung geworden ist und damit Ausgangspunkt zu höheren Entwicklungsformen.

Jetzt haben wir die Zersetzung der Mark als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung im Mittelalter ins Auge zu fassen.

Kurz wiederholt, was zur Zersetzung führte:

1. Erblichkeit der Güter, daraus Ungleichheit; entweder wurde das Gut an einen verteilt, und dadurch wurden die anderen von ihm abhängig, oder das Gut wurde an alle Erben verteilt und dadurch zersplittert.

Die Verfügungsmöglichkeit über das Erbgut ergab Schenkungen, Käufe und Verkäufe. Daraus entstand die Möglichkeit, in wenigen Händen viele Güter zu sammeln oder sie gänzlich zu verlieren. Schenkungen an die Kirche; es schenkten an sie die einzelnen Markbewohner, Witwen ohne Kinder usw., manche auch enterbten ihre eigenen Nachkommen.

Dann schenkten hauptsächlich auch die Fürsten (sie hatten ihren Reichtum durch Kriegszüge und Eroberungen erworben) an die Kirche, zum Teil aus Frömmigkeit, zum Teil aus gegenseitiger Unterstützung. Die Fürsten stützten die Kirche und umgekehrt. Es ist charakteristisch, daß fast in jeder Lebensbeschreibung eines Heiligen (namentlich in bezug auf das früheste Mittelalter) als eines der größten Verdienste betrachtet wird, daß der König oder ein anderer den Heiligen dahin gebracht hat, der Kirche so und so viel zu schenken. Z. B. zur Zeit Karls des Großen besaß die Abtei St. Germain des Prés bereits 25 Güter. Und zwar umfaßten sie 22000 ha Ackerland, 427 ha Weingärten, 503 ha Wiesen, 92 ha Weiden, 13352 ha an Wald. Die Abtei Lenizel in Westfranken zählte 15000 Hufen, das waren einzelne kleinere bäuerliche Güter, Kloster Lorsch bei Worms 2000 Hufen, St. Gallen 4000, Gandersheim 11000, Tegernsee 11866 Hufen, Fulda 15000.

Weitere Methoden, die die Ungleichheit des Grundbesitzes hervorriefen, sind:

Das Schutzverhältnis. Es hieß: sich in Kommendation begeben. Es bestand darin, daß man sich entweder in den Schutz der größeren weltlichen Grundbesitzer begab oder

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[1] Siehe Friedrich Engels: Die Mark. In: MEW, Bd. 19, S. 315 ff.; ders.: Fränkische Zeit, ebenda, S. 474 ff.; ders.: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Im Anschluß an Lewis H. Morgans Forschungen. In: MEW, Bd. 21, S. 25 ff.; Georg Ludwig von Maurer: Geschichte der Markenverfassung, Erlangen 1856; Einführung in die Nationalökonomie. In: GW, Bd. 5, S. 652 ff.