Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 471

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Kampfzeiten waren die Zunfthäuser Versammlungshäuser der Bewaffneten. Sie waren auch oft befestigt, so daß sie eine förmliche Belagerung aushalten konnten. Zugleich waren sie aber auch Trink- und Gesellschaftshäuser: Taufen, Leichenfeiern usw.

Nur die Mitglieder der Zunft mit ihren Frauen hatten Zutritt.

Hauptbestimmungen der Zunftversammlungen waren: Gerichtsbarkeit über alle Gewerbsangelegenheiten, alle Streitigkeiten unter den Zunftgenossen. Der Blutbann gehörte aber dem Stadtrat.

Außerdem hatten die Zünfte die Sittenpolizei. Sie hatten zu richten über Luxus, Betrug, Ehebruch, Verschwendung.

In Straßburg gab es in jeder Zunft geheime Rüger, d. h. Zensoren, die angestellt waren zur Beachtung der guten Sitten.

Endlich als Grundlage der freien Zunft der Zunftzwang, d. h. das ausschließliche Recht, das Gewerbe innerhalb der Stadt zu betreiben, und der Zwang für jeden Handwerker, sich der Zunft anzuschließen. In jeder Stadt gab es Handwerker, die außerhalb der Zunft sich ihr Brot verdienten. Gegen die hatten die Zünfte das Recht der Verfolgung.

Die Zünfte waren kirchliche Gemeinschaften. Jede hatte ihren besonderen Heiligen, ihre Fahnen, manche ihre besonderen Kapellen. Außerdem Zeichen und Wappen. Die Zunftgenossen waren sich gegenseitig verpflichtet zu Schutz und Hilfe, verpflichtet, sich gegenseitig die letzte Ehre zu erweisen, d. h. am Begräbnis teilzunehmen usw.

Endlich bilden sie zugleich kriegerische Abteilungen. Jeder Handwerker mußte mit seiner Zunft wirkliche Kriegsdienste tun, auch Wachedienst in der Stadt.

Bei Aufständen in der Stadt und dergl. mußten alle Zunftangehörigen sich sofort bewaffnet in den Zunfthäusern versammeln, sobald der Sturm geläutet wurde. Zum Krieg mußte jede Zunft einen oder mehrere Reiter für die Stadt stellen. Die Ritter waren persönlich zum Reiterdienst verpflichtet, die Handwerker aber brauchten nur einige [Reiter] zu stellen. Die Handwerker bildeten außerdem die ganze Infanterie. Sie waren die ersten Fußtruppen.

Sie waren bewaffnet mit Hellebarden, Mordäxten, Schweinespießen, Armbrust und Büchsen. Sie trugen einen eisernen Hut, Halskragen, Panzer, Schurz, Handschuhe, Beinschienen usw. Die Bewaffnung war ihnen genau vorgeschrieben.

In Frankfurt richtete sich die Bewaffnung der Handwerker nach dem Vermögen, so bei den Bäckern nach der Zahl der Schweine.

In der Zunft strenge Unterordnung der Lehrlinge unter die Gesellen, dieser unter die Meister und der Meister unter die Zunftvorsteher. Diese strenge Unterordnung, die später namentlich für die Lehrbuben sehr bitter werden sollte, hatte in der Zeit der Blüte des Mittelalters eine strenge Grundlage. Sie hat die außerordentliche Tüchtigkeit der städtischen Heere herbeigeführt.

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