Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 461

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die Bedürfnisse der Herrschaft. Sie sind in dem Sinne organisiert, als sämtliche Handwerker einer bestimmten Art unter einem Hofbeamten stehen. Ein solcher Handwerkszweig heißt Amt, nachher Innung. An der Spitze einer solchen Innung stand ein Meister. Die Meister waren also früher Hofhörige. Die Handwerker, die unter ihnen arbeiteten, hießen Diener. Das ist der erste Ausgangspunkt der weiteren Entwicklung des Handwerks im Mittelalter. Eine gewisse Ansammlung von Handwerkern…

Und was das Entscheidende ist, sie sind organisiert in Innungen oder Ämtern, deren Leiter Meister und deren Arbeiter Diener heißen. Erst in dem gänzlichen Loslösen des Handwerks vom Hofrecht erwirbt auch der Handwerker das Recht, Meister zu werden. Früher konnte das nur ein Hofbeamter. Meister werden konnte der Handwerker also nur in der Stadt.

Der Ausgangspunkt dieser Entwicklung war, daß hier eine größere Ansammlung von Handwerkern stattfand, die zu einer gewissen Befreiung der Arbeitszeit von den Bedürfnissen des Hofes führte. Die Handwerker kommen in die Lage, daß ihre Arbeitszeit nicht mehr von den Bedürfnissen des Hofes überwiegend in Anspruch genommen wird. Andererseits sind sie schon spezialisiert. Sie haben das Bedürfnis, für andere zu arbeiten. Käufer ihrer Sachen sind in der Stadt die Altfreien, d. h. die Geschlechter, die Kaufleute und die freigelassenen Dienstmannen oder Ministerialen der Höfe, die sich als eine Klasse zwischen den Grundherren und den Hörigen bilden.

Die Herrschaften erlauben den Handwerkern, für andere zu arbeiten, weil erstens die Handwerker dadurch in die Lage kommen, sich selbst zu erhalten, zweitens müssen sie eine Entschädigung für die Erlaubnis bezahlen, für andere zu arbeiten, und diese Entschädigung in Geld kam den Herren sehr gelegen, denn die Geldwirtschaft war im Aufkommen; drittens müssen sie noch eine bestimmte Menge von Produkten regelmäßig auch weiterhin an die Herrschaften abliefern.

Sobald Handwerker ökonomisch vom Hof immer mehr losgelöst werden, haben sie immer mehr den Drang, sich vom Hofrecht gänzlich zu befreien. Sie kauften sich erstens los vom Hofrecht. Das war ergiebig für die Grundherrschaft. Zweitens halfen nach einer ununterbrochenen Reihe von Straßenrevolutionen in den Städten, in denen ein Fronrecht nach dem anderen abgeschafft wurde.

Die Geldwirtschaft entwickelte sich immer mehr, und da hatten die Gutsherrschaften eine gute Geldquelle in den Handwerkern. So geht hier Hand in Hand ein materielles Interesse und Psychologie.

Die Handwerker mußten also eine Summe zum Loskaufen zahlen, aber sie mußten außerdem eine bestimmte Lieferung von Produkten leisten.

Z. B. noch im 13. Jh. mußten in Halberstadt die Schuster dem Bischof im Winter und Sommer Schuhe und Stiefel liefern und die Bäcker den herrschaftlichen Beamten Brot usw.

Naturallieferungen an den Dompropst.

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